Lesbisch_queere Bücherwelten: Ausgerechnet sie von Corinna Waffender

27.11.2015 15:26

Rezension von Julia Roßhart

Maite erfährt, dass ihr biologischer Vater nicht das längst verstorbene Phantom ist, an das sie sich kaum erinnern kann, sondern Christian: ein Berliner, der nach einem Suizidversuch im Koma liegt. Ihre Mutter weigert sich, ihr zu erzählen, was damals geschah, warum sie nach Spanien auswanderte – und Maite zeit ihres Lebens anlog.

Die Sevillanerin Maite macht sich auf nach Berlin. Dort trifft sie Leo, ihre Halbschwester – und die erste Frau*, in die* sie sich Hals über Kopf verliebt. Dabei stimmt "Frau" im Grunde nicht: Leo liebt ihren* weiblichen Körper, trägt stets Männeranzug und Krawatte, denkt sich selbst am ehesten als "Schwulen, der auf Frauen steht" –  und ist darauf angewiesen, ihre* Umwelt stets genauestens im Blick zu behalten. Rasant entwickelt sich eine Liebe-auf-den-ersten-Blick-Liebesgeschichte zwischen den beiden, die mehr verbindet als sie ahnen. Parallel wird die gemeinsame Geschichte von Christian, Leos Vater, und Elisa, Maites Mutter, erzählt. Erst ganz zum Schluss erfahren Leo und Maite – und die Leser_innen –, was damals war und weshalb Elisa schließlich nach Spanien migrierte, während Christian in Deutschland blieb.  

Am Anfang der Geschichte steht kein Mord, sondern ein Suizidversuch. Aber auch dieses Mal gelingt es Corrinna Waffender wieder, einen Roman mit einer Spannung aufzuladen, die jedem Krimi zur Ehre gereichen würde. Dabei werden sämtliche Beteiligten mit einer persönlichen Geschichte ausgestattet und als Charaktere entwickelt. Es gibt keine konturlosen Randfiguren. – Alle sind sie Hauptfiguren. So ist auch der Wechsel zwischen verschiedenen Strängen der Erzählung nie ärgerlich oder ermüdend. Verbunden werden sie durch das Rätsel um die gemeinsame Vergangenheit von Elisa und Christian und die dadurch grandios erzeugte Spannung.

Nicht so recht zu überzeugen vermag indessen die Art und Weise, wie Leos Geschlechtsidentität beschrieben wird. Hier fällt die Erzählung zu vage und knapp aus, und die ungebrochene Repräsentation von Leo als "sie" beißt sich mit Leos Selbstidentifikation und Gedankenwelt, die Waffender andeutet. Angesichts der großen Trans-Communitys in Berlin, wo die Geschichte zu weiten Teilen spielt, verwundert es zudem, dass Leo als eine Person im luftleeren Raum dargestellt wird – ohne jedweden Bezug zu Trans-Personen oder Debatten um Geschlechtsidentität jenseits von Mann und Frau.

Ausgerechnet sie
kostet 14,94 und ist im FEMBooks-Webshop erhältlich
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