Rezension zu Elke Amberg: Berge, Bön und Buttertee. Reise ins Tibet der Frauen

17.08.2015 14:17

Elke Amberg: Berge, Bön und Buttertee. Reise ins Tibet der Frauen

Elke Amberg und ihre Partnerin setzen mit ihrer „Reise ins Tibet der Frauen“ da an, wo ich 2012 nach meiner Reisegruppenreise durch Tibet gern weiter gereist und geforscht hätte. Auf eigene Faust und mit tibetischer Reiseführerin erkunden sie die einst für Ausländer*innen verbotene Stadt Lhasa, wandern mit Zelt und Yaks im Norden Tibets und reisen zur Bergin Qomolangma (Mount Everest) und dem heiligen Berg Kailash. Das lebendig geschriebene Buch dokumentiert ihre abenteuerliche und entbehrungsreiche Reise auf über 3000 Metern mit Höhenkrankheit, eisigen Temperaturen in der Nacht und nicht vorhandenen sanitären Einrichtungen.

 

Es hätte mir sehr geholfen, einen solchen Reisebericht vor bzw. während meiner Tibetreise 2012 zur Hand gehabt zu haben. Alle wichtigen Infos zu den Hauptgöttinnen sind darin in kurzweiliger Form zu finden und geben einen Wegweiser im Götter- und Göttinnendschungel des tibetischen Buddhismus. Alle bedeutenden heiligen Stätten und Kloster werden besucht und beschrieben und es werden viele Einblicke in das nicht-religiöse Leben tibetischer Frauen gewährt. Um einen Eindruck vom heutigen Tibet und dem Leben der Frauen dort zu erhalten, ist der Reisebericht von Elke Amberg deshalb bestens geeignet. Abgerundet wird das Ganze durch viele schöne Fotos.

 

Zum Glück begeht die Autorin auch nicht den Fehler vieler Westler*innen, die bei dem Gedanken an Tibet in eine unkritische Buddhismus- und Dalai Lama-Euphorie verfallen. Trotz aller Friedfertigkeit des Buddhismus, der etwa das Töten von Tieren verbietet, und all den buddhistischen Göttinnen, bleibt dieser eine von Männern dominierte Religion, in welcher Frauen ein geringerer Wert als Männern zugebilligt wird. Die vielen im tibetischen Buddhismus verehrten Göttinnen scheinen zudem größtenteils noch aus der alten und vom Buddhismus „besiegten“ Bön-Religion zu stammen. Da beide Religionen in Tibet sich gegenseitig stark beeinflusst haben und Mythen verschmolzen sind, ist es gar nicht so einfach herauszufinden, welche mythologischen Elemente noch aus der alten Bön-Religion stammen.

 

Gern hätte ich mehr darüber erfahren, ob die Bönreligion eine matrifokale Religion war. Der aus dem Bön stammende tibetische Schöpfungsmythus, bei dem die Urmutter Chucham Gyalmo neun Eier zur Welt bringt, aus welchen neun Töchter geboren werden, und die große Zahl aus dem Bön stammender See- und Berggöttinnen legen dies nahe. Auf der anderen Seite scheint die buddhistische Göttin Palden Lhamo als einzige weibliche von acht Schutzgottheiten stark patriarchal überformt zu sein. Dies zeigt der Umgang der Göttin mit ihrem Sohn, einem Widersacher des Buddhismus (und vermutlich Anhänger des Bön): Laut Legende soll sie ihn selbst getötet haben und seitdem seine Haut als Sattel auf ihrem Maultier nutzen.

 

Besonders interessant fand ich die Erkenntnisse der Autorin zu der noch in weiten Teilen Tibets gebräuchlichen Brüderehe, bei der eine Frau mehrere Brüder ehelicht (wobei die Männer gern auch jünger als sie selbst sind), denn diese ist keineswegs matriarchal, da die Frau sich die Ehepartner nicht selbst aussuchen kann, sondern eine von Vätern arrangierte Zweckheirat zur Besitzstandsmehrung, bei der die Frau in den Haushalt der Brüder einzieht.

 

Etwas enttäuscht war ich darüber, dass die Autorin, obwohl selbst mit einer Frau zusammenlebend, keine Nachforschungen zu lesbischen Beziehungen unter Tibeterinnen angestellt hat. Ich bin mir sicher, dass es zumindest in den Nonnenklostern solche gibt und es wäre interessant gewesen, mehr über solche Frauenbeziehungen und deren Zusammenspiel mit dem Buddhismus zu erfahren.

 

Der Wertigkeit des Buches tut dies jedoch keinen Abbruch, dieses ist sehr empfehlenswert sowohl für Tibet-Reisende als auch jene, die sich einfach so über Tibet, den Buddhismus und das Leben der Frauen im höchst gelegenen Land der Welt informieren möchten.

 

Rezensiert von Doreen Heide

Das Buch kann hier für 22,00 € bestellt werden!


Kommentare

Liebe Doreen Heide, herzlichen Dank für die wunderbare fundierte Rezension! Zwei Anmerkungen: Die so genannte Brüderehe könnte zu einer früheren Zeit in einem anderen gesellschaftlichen Rahmen durchaus matriarchal gelebt worden sein. Zu Lesben in Tibet: Es gibt in Tibet keinerlei Frauenorganisation, geschweige denn Lesbenorganisationen. Ich habe auch in meiner nachträglichen Recherche wissenschaftlicher (englischer) Literatur, die relativ oft - wenn sie über Frauen in Tibet handelte - Nonnen zum Thema hatte, nichts darüber gefunden. Gender- und Queerforschung ist in diesem Themengebiet fast überhaupt nicht vorhanden. Sowohl die internationalen als auch die deutschsprachigen Tibetischen Frauen Organisationen klammern das Thema weibliche Homosexualität aus. Von daher war auch ich bei vielen Recherchen enttäuscht. Ich würde mich sehr freuen, wenn das Buch einen Impuls gäbe, hier weiterzuforschen. Schöne Grüße von der Autorin, Elke Amberg, www.elke-amberg.de

Elke A., 16.09.2015 13:04
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