Als Gerlinde Kaltenbrunner im August 2011 den Gipfel des K2 erreicht und damit als erste Frau alle 14 Achttausender ohne Zuhilfenahme von künstlichem Sauerstoff bestiegen hat, macht sie weit über Österreich hinaus Schlagzeilen. Das war nicht immer so: In den Anfangsjahren des Alpinismus war es für Bergsteigerinnen schwierig, sich überhaupt an das Seil eines Bergführers binden zu dürfen. In den Bergen unterwegs waren sie jedoch schon sehr früh, auch wenn ihre Namen oft unbekannt und ihre Geschichten ungehört blieben. Von den ersten Alpenpionierinnen im 19. Jahrhundert über die Höhenbergsteigerinnen aus aller Welt bis zu den Spitzenkletterinnen von heute dokumentiert dieses Buch die Leistungen selbstbewusster Frauen in Fels und Eis. Und erzählt darüber hinaus vor allem eines: Geschichten selbstbestimmten Lebens, voller Lebensfreude, Leidenschaft und Inspiration.
Das Buch besteht aus 26 sorgfältig recherchierten und spannend zu lesenden Porträts von Frauen aus dem Alpenraum, Europa und Übersee, die inspirierende Pionierleistungen am Berg erbracht haben. Acht bis zehn jeweils doppelseitige Texte zu den Epochen des Bergsports liefern zusätzlich Hintergrundwissen zur historischen Entwicklung des Bergsteigens und Kletterns. Bilder zu jeder der Porträtierten begleiten den Text.
Autor*in / Hrsg.: | Caroline Fink Karin Steinbach |
Biografien von/über: | Bergsteigerinnen |
Reisebuchtyp: | Wandern und Bergsteigen |
Reiseregion(en): | die ganze Welt |
Zeitepoche: | 20. und 21. Jh. |
Weitere Informationen: | Wenn Frauen in den Bergen ihren eigenen Weg gehen Umfang: 304 S., ca. 80 farb. Abb. Einband: Gebunden Format (T/L/B): 2.8 x 23.2 x 16 Gewicht: 877 g Erscheinungsdatum: 11.09.2013 |
Mit dem Kopf durch die Wand
Von Erfolg, Umkehr und feministischem Bergsteigen: Mit die "Erste am Seil" ist den Autorinnen eine facettenreiche Geschichte des Frauenbergsteigens gelungen
Frauen im Vorstieg. Bis es soweit kam, mussten viele, vor allem gesellschaftliche und mentale Hindernisse überwunden werden. In 26 Pionierinnen-Portraits und zehn Kapiteln zur Alpingeschichte beschreiben die Autorinnen Caroline Fink und Karin Steibach, beide selbst erfahrene Bergsteigerinnen, den Weg der Pionierinnen.
Sportart "mit beträchtlicher intellektueller Komponente"
"Wer als Seilerster klettert, hat noch mehr Vergnügen", schrieb 1929 die Amerikanerin Miriam O' Brian, Initiatorin der ersten bedeutenden Frauenseilschaft. Es ging ihr aber bei Weitem nicht bloß um das Vergnügen. Ihre Begründung lautet: "...weil er die technischen, taktischen und strategischen Probleme, die sich ihm stellen, unmittelbar lösen muss. Und da er gewöhnlich auch die Verantwortung für die Seilschaft trägt, erzielt er für sich auch die größte Befriedigung, denn das Bergsteigen ist eine Sportart, die eine beträchtliche intellektuelle Komponente hat."
Bereits hier, bei der Beschreibung der ersten führerlosen- und Frauenseilschaften des 20. Jahrhunderts, taucht ein Motiv auf, das sich durch das gesamte Buch zieht: Das der Verantwortung, der Eigenverantwortlichkeit. Denn so unterschiedlich die portraitierten Frauen ihrer Herkunft, Sozialisierung und Interessen nach auch seien mögen, scheint sie doch dieses gemeinsame Ziel anzutreiben.
Häme und VerhinderungAuf diesem Weg zur Eigenverantwortlichkeit stießen die Frauen allerdings auf Widerstand, wie man sich ihn im Jahr 2013 kaum mehr vorstellen kann. "Der Grépon als Klettertour existiert nicht mehr. Nachdem er von zwei Frauen allein begangen wurde, wird sich kein Mann mehr, der diese Bezeichnung verdient, an ihn heranwagen. Das ist schade, denn es war eine sehr schöne Route", schrieb ein französischer Alpinist - wir wollen zur Abwechslung ihn ungenannt lassen - über besagte Miriam O' Brian. Die Taktik der Gegner war: Die Leistungen der Frauen am Berg verhindern, verschmähen, oder tot schweigen.
Auch in vielen Alpenclubs waren Frauen nicht gelitten oder explizit ausgeschlossen. Ein Druck, der zu Gegendruck und der Gründung von Frauen-Alpenclubs führte. Es ist ein Vorzug dieses Buches, dass es die dargestellte Entwicklung einer weiblichen Bergkultur auch in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext stellt. So weisen die vorgestellten Biografien immer über sich selbst hinaus auf ein Allgemeingültiges, das auch interessiert, wenn wir mit Bergen nichts am Hut haben.
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Rezension von Sylvia Rein auf buecherfrauen.de:
Solche Anekdoten zeigen, wie sehr sich unsere Gesellschaft verändert hat. Und wie steinig der Weg der Frauen war, in dieser Männerdomäne Fuß zu fassen.
Fink und Steinbach erzählen die Lebensgeschichten von rund 26 Bergsteigerinnen und Kletterinnen vom 19. Jahrhundert bis heute, sehr persönlich und bestens recherchiert. Passionierte Bergsteigerinnen finden darin eine Fülle von Anregungen. Aber auch diejenigen werden inspiriert, die sich nicht zu Höherem in Form von Bergen berufen fühlen. Sei es die Mode (mangels Hosen für Frauen schneiderte sich eine Bergsteigerin einfach selbst welche), die lange übliche Veröffentlichungspraxis (Alpinistinnen, die unter dem Namen ihrer Ehemänner oder Neffen schrieben) oder das eigene Rollenverhalten ("Das kann ich nicht") - die Botschaft lautet: Selbst die härtesten "Seilschaften" lassen sich verändern!
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