Ihr Kind? Egal.
Ihre Zukunft? Rosig.
Denn sie hat jetzt ein Mädchen für alles. Und einen ziemlich guten Plan.
Autor*in / Hrsg.: | Charlotte Roche |
Belletristik: | zeitgenössischer Roman |
Weitere Informationen: | Umfang: 240 S. Einband: Paperback Format (T/L/B): 1.9 x 20.9 x 13.5 cm Gewicht: 298 g Erscheinungsdatum: 05.10.2015 ~ LESEPROBE ~ |
Rezension von Christina Mohr auf Aviva-Berlin:
Vier Jahre nach ihrem letzten Buch "Schoßgebete" hat Charlotte Roche nachgelegt: "Mädchen für alles" heißt der neue Roman, dem automatisch und von vornherein ebensoviel Skandal-Potenzial attestiert wurde wie Roches Debüt "Feuchtgebiete".
Derzeit ist frau jedoch besser beraten, Interviews mit Charlotte Roche wie zum Beispiel in der November-Ausgabe von Galore zu lesen: Dort präsentiert sich Roche als furchtlose, witzige, nachdenkliche und zuweilen paradoxe Gesprächspartnerin, die "sich rein gar nichts vorstellen kann, worüber man schweigen sollte". Das klingt prima, ein bisschen aufrührerisch und gewohnt tabubrechend, wie Roche es in ihren beiden früheren berüchtigten Romanen vorexerzierte.
Und auch "Mädchen für alles" kratzt durchaus an Tabus unserer Gesellschaft: Ich-Erzählerin Christine Schneider (bemerkenswert: Chrissies Blickwinkel wird kein einziges Mal verlassen. Wir lesen die gesamte Story durch ihre Brille, sozusagen) hat Haus, Mann und kleines Kind - und ist mit allem komplett überfordert, obwohl (oder weil) sie momentan nicht lohnarbeitet. Frau könnte rasch bei der Hand sein, Christine eine schlechte Mutter zu nennen, weil es schlicht und einfach nicht geht, nicht erlaubt ist, sich vorsätzlich nicht ums Kind zu kümmern, alle Sorge dem Vater zu überlassen, stattdessen biertrinkend TV-Serien glotzen, sich mutwillig selbst verletzen, um sich nicht kümmern zu müssen - oh ja, so wie sich Christine (nicht) verhält, darf eine Mutter nicht sein. Oder? Das Ausgangssetting ist von Roche schon mal gut gewählt, und gerade zu Beginn des Romans drängt sich beim Lesen der Gedanke auf, "Mädchen für alles" könne neben Anke Stellings "Bodentiefe Fenster" ein ebenbürtiger, ebenso bitterer Kommentar zur Lebensrealität der sogenannten "Bionade-Boheme" sein: Die schonunglose Offenlegung der Probleme einer Schicht, die oberflächlich betrachtet gar keine Probleme haben sollte.
Dass dem nicht so wird, ändert sich mit dem Auftreten der titelgebenden Figur: dem "Mädchen für alles", sprich der Kinderfrau und Haushaltshilfe Marie, die Christines ebenfalls überforderter Ehemann (von dem wir nicht viel erfahren, er bleibt meist wortlos anklagende, kümmernde Hülle) anstellt. Christines Slacker-Dasein gewinnt an Auftrieb, sobald Marie im Haus ist: Manisch plant sie die Verführung der unbedarften, schönen Studentin - die entsprechenden Masturbationsphantasien haben kaum etwas mit früheren Ausführungen zu Blumenkohl-Hämorrhoiden oder Sex mit Avocadokernen zu tun.
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