Mit literarischer Intensität, dicht und präzise, erzählt Emmanuèle Bernheim, welche unendliche Zumutung dies für die Familie ist, wie sie sich trotz unauflösbarer Gewissenskonflikte gemeinsam auf den Tod zubewegt. Mit großer Offenheit spricht sie über eine der letzten tabuisierten Fragen unserer Zeit und eine sehr persönliche Entscheidung sie berührt damit jeden von uns. Ein großes Buch über das Glück des Lebens und die Freiheit zu sterben.
Autor*in / Hrsg.: | Emmanuèle Bernheim |
Weitere Informationen: | Originaltitel: Tout s'est bien passé Übersetzt von: Angela Sanmann Umfang: 208 S. Einband: Gebunden Format (T/L/B): 2 x 20.8 x 13.1 cm Gewicht: 331 g Erscheinungsdatum: 03.02.2014 ~ LESEPROBE ~ |
Rezension von Ahima Beerlage auf AVIVA-Berlin:
Der Pariser Kunstsammler André Bernheim erleidet einen schweren Schlaganfall und bittet seine Tochter, die Schriftstellerin und Drehbuchautorin, "Ich möchte, dass du mir hilfst, Schluss zu machen."
In ihrem autobiografischen Roman zeichnet sie mutig und offen noch einmal diesen schweren Weg bis zum Tod ihres Vater nach.
Emmanuéle Bernheim erhält 2008 einen Anruf. Ihr Vater, ein angesehener Kunstgalerist, hat mit 88 Jahren einen Schlaganfall erlitten. Als sie in der Klinik eintrifft, findet sie ihn rechtsseitig gelähmt, verwirrt und mit bis zur Unverständlichkeit verschliffener Sprache vor. Nach dem ersten Schock nährt sie immer wieder ihre Hoffnung, dass alles wieder in Ordnung kommt.
Ihr Vater, der charmante, egoistische große Junge, der sich der Liebe aller Geschlechter, dem Genuss und der Kunst verschrieb, hat bereits mehrere lebensbedrohliche Situationen überstanden. "Jedes Mal, wenn er so eben wiederhergestellt war, fuhr er weit weg, ... Und dann, zehn, vierzehn Tage, manchmal drei Wochen später, kam er von seiner Reise zurück, mit rundem Gesicht und in Hochform."
Nach diesem Schlaganfall ist alles anders. Zwar erholt sich der Vater etwas, aber er bleibt pflegeabhängig, muss Windeln tragen. Vollmachten müssen erteilt werden, weil der Vater sich nur schwer verständlich machen und kaum noch schreiben kann. Emmanuéle muss sich mit ihrer Schwester Pascale um alles kümmern. Die Mutter ist keine Hilfe. Sie leidet unter Parkinson und schweren Depressionen. Die Rollen verkehren sich. Die Kinder werden zu Fürsorgenden für die Eltern. Emmanuéle muss medizinisches Vokabular enträtseln.
Der Vater wird seinem ehemals vitalen Ebenbild immer fremder, magert ab, weil er nicht schlucken kann. André will so nicht leben. "Ich möchte, dass du mir hilfst, Schluss zu machen." Der erste Satz, den er klar und deutlich ausspricht, seit er den Schlaganfall erlitten hat. Ein Schock für die Tochter. Als sie sich nach einer Weile der behandelnden Ärztin anvertraut, fällt dieser nur ein, die Antidepressiva zu erhöhen. Eingehen auf den Wunsch des Patienten? Undenkbar in Frankreich.
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