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Autor*in / Hrsg.: | Kerstin Wolff Eva-Maria Silies Julia Paulus |
Zeitepoche(n): | 20. und 21. Jh. |
Weitere Informationen: | Einband: Kartoniert Geschichte und Geschlechter Bd.62 |
Umfang: | 336 S. |
Format (T/L/B): | 2.1 x 21.4 x 14.1 |
Gewicht (incl. Verpackung): | 415 g |
Erscheinungsdatum: | 15.09.2012 |
Angesichts dieser Befunde ließe sich bereits an dieser Stelle der Beweis einer 'Nicht-Einheit der Geschichte' führen, wollte man lediglich die Korrektivfunktion der Analysekategorie Geschlecht innerhalb des Mainstreams der historischen Forschung bemühen. Stattdessen wagen wir den Versuch einer engagierten und zum Teil kontrovers geführten Diskussion über den einen Weg oder die vielen Pfade einer Geschlechtergeschichte als Zeitgeschichte. Das Ergebnis dieses Experiments dokumentiert dieser Tagungsband. Vorgestellt werden 13 Studien aus fünf Forschungsfeldern der aktuellen zeithistorischen Geschlechterforschung sowie vier reflektierende Kommentare zu den verschiedenen Themen- und Methodenzugängen.
Unter der Überschrift: Nachkrieg und Geschlechterordnung verhandeln Lu Seegers, Angela Pitzschke und Irene Stoehr - flankiert von einem Kommentar von Kirsten Heinsohn - grundlegende Problemfelder der sich neu konstituierenden westdeutschen Gesellschaftsordnung. So kann Lu Seegers in ihrem Beitrag zu Kriegerwitwen und deren Töchtern anhand von Interviews nachweisen, dass der Umgang mit dem Verlust des Vaters nachhaltigen Einfluss auf das Geschlechter- und Partnerverständnis eines großen Teils der weiblichen (Nach-)Kriegsgeneration besaß. Welche (partei-)politischen Faktoren Einfluss auf den - nicht selten - mühsamen gesellschaftlichen Wandel der Geschlechterordnung in Richtung Gleichberechtigung hatten, untersucht Angela Pitzschke in ihrem Beitrag zur Politik der Sozialdemokratie. Irene Stoehr macht in ihrer Studie zu der Friedensaktivistin Klara-Maria Fassbinder deutlich, dass nicht zuletzt die - strikt antikommunistisch ausgerichtete - staatsbürgerliche Arbeit der Frauenverbände nicht nur zu einer Verfestigung, sondern auch zu einer Diversifizierung von weiblichen Geschlechterrollen beitrug.
Der zweite thematische Block, der Beiträge von Christine von Oertzen, Julia Paulus und Christiane Eifert sowie einen Kommentar von Mechthild Bereswill enthält, beschäftigt sich unter der Überschrift Segregierte Berufswelten mit den Themen (Aus-)Bildung und (Erwerbs-)Arbeit. Während Christine von Oertzen das Ringen der berufspolitischen Selbstorganisation von Akademikerinnen untersucht, fragt Julia Paulus nach zählebigen Geschlechterordnungsvorstellungen in den Organisationsstrukturen der dualen Ausbildung von weiblichen Lehrlingen. Weniger mit Fragen der Organisation als der Identifikation beschäftigt sich Christiane Eifert in ihrem Beitrag zu westdeutschen Unternehmerinnen, in dem sie nach ambivalenten Repräsentationen von weiblichen Vertretern des Wirtschaftsbürgertums fragt.
Das auch aktuell diskutierte Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie steht im Mittelpunkt des dritten Kapitels. Vor dem Hintergrund der Debatten zum Erziehungsgeld untersucht Sarah Summers die Langlebigkeit traditioneller - geschlechtssegregierender - Arbeitsstrukturen und deren Auswirkungen auf familienpolitische Ordnungsvorstellungen. Vice versa beschäftigt sich Monika Mattes in ihrer Untersuchung zur Einführung der Ganztagsschule in Deutschland mit den Barrieren von Arbeitnehmerinnen, die nicht zuletzt durch strukturelle Defizite im Sozial- und Erziehungssystem in ihrer freien Berufswahl behindert wurden. Leider musste an dieser Stelle der vorgesehene Kommentar entfallen.
Unter dem Themenkomplex Sexualitäten und Körper beschäftigen sich Artikel von Eva-Maria Silies und Benno Gammerl sowie ein Kommentar von Peter-Paul Bänziger mit der These, dass es in den sechziger Jahren zu einem grundlegenden Bruch in der Erfahrung von und der Beschäftigung mit Körper und Körperlichkeit gekommen sei. Eva-Maria Silies fragt in diesem Zusammenhang nach Veränderungen in Verhaltensdispositionen von Frauen und Männern, die die Einführung der hormonellen Verhütung mit sich gebracht hat. Inwiefern sich die Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit grundsätzlich veränderten, geht Benno Gammerl am Beispiel von Kontaktanzeigen homosexueller Frauen und Männer in seinem Beitrag