Katja Peglow, Jonas Engelmann (Hrsg.): Riot Grrrl Revisited! Die Geschichte einer feministischen Bewegung
Erweiterte Auflage des Standardwerks
Mit ihrem 1991 veröffentlichten Manifest brachten die Riot Grrrls die Verhältnisse mit der Forderung nach einer »Revolution Girl Style Now« zum brodeln. Das legendäre feministische Pamphlet gilt als Initialzündung der Riot-Grrrl-Bewegung, die in den Neunzigern in den USA ihren Anfang nahm und hierzulande zum Girlietum verwässert wurde. »Riot Grrrl Revisited« schreibt die Geschichte des revolutionären Kulturkampfes auf und zeigt, was von der radikalen Bewegung geblieben ist.
Mit Interviews und Essays zu Themen wie Ladyfesten, Riot Grrrl in Deutschland, Queercore und Riot Grrrls im Film.
Die erweiterte Neuauflage enthält zusätzlich Kapitel Essays zu den Hintergründen, FreundInnen und Feinden des russischen Bandprojekts Pussy Riot, das nach der Verhaftung dreier Mitglieder global eine ungeahnte Solidarität erfahren hat, sowie zu den global stattfindenden Slutwalks, auf denen sich weltweit hundertausende Menschen gegen sexualisierte Gewalt positionieren.
Mit ihrem 1991 veröffentlichten Manifest brachten die Riot Grrrls die Verhältnisse mit der Forderung nach einer »Revolution Girl Style Now« zum brodeln. Das legendäre feministische Pamphlet gilt als Initialzündung der Riot-Grrrl-Bewegung, die in den Neunzigern in den USA ihren Anfang nahm und hierzulande zum Girlietum verwässert wurde. »Riot Grrrl Revisited« schreibt die Geschichte des revolutionären Kulturkampfes auf und zeigt, was von der radikalen Bewegung geblieben ist.
Mit Interviews und Essays zu Themen wie Ladyfesten, Riot Grrrl in Deutschland, Queercore und Riot Grrrls im Film.
Die erweiterte Neuauflage enthält zusätzlich Kapitel Essays zu den Hintergründen, FreundInnen und Feinden des russischen Bandprojekts Pussy Riot, das nach der Verhaftung dreier Mitglieder global eine ungeahnte Solidarität erfahren hat, sowie zu den global stattfindenden Slutwalks, auf denen sich weltweit hundertausende Menschen gegen sexualisierte Gewalt positionieren.
Autor*in / Hrsg.: | Jonas Engelmann Katja Peglow |
Weitere Informationen: | Originaltitel: Riot Grrrl.Revolution Girl Style Now! Illustriert von: Maren Karlson Umfang: 200 S. Einband: Kartoniert Format (T/L/B): 1 x 23 x 15.5 Gewicht: 365 g Erscheinungsdatum: 27.02.2013 |
Inhaltsverzeichnis
Einleitung: Who?s That Grrrl?
Riot Grrrl ist ? Das Riot-Grrrl-Manifest
Julia Downes:
There?s a Riot Going On ... Geschichte und Vermächtnis von Riot Grrrl
Gudrun Ankele:
Mädchen an die Macht. Manifeste und Geschichten feministischen Widerstands
Mary Celeste Kearney:
Die Missing Links. Riot Grrrl ? Feminismus ? Lesbische Kultur
Mimi Thi Nguyen:
Race & Riot. Über ein problematisches Verhältnis
Julia Gudzent:
Girls to the Front. Hardcore, Feminismus und Riot Grrrl
Katja Peglow / Jonas Engelmann:
Hit It or Quit It. Im Gespräch mit Jessica Hopper
Marisa Meltzer:
When She Went to School in Olympia ? Wie Girl Power mein Leben verändert hat
Vojin Sas?a Vukadinovic:
Boys in the back
Martin Büsser:
A Love Letter. Courtney Love über Riot Grrrl
Daniela Berner:
Ladies and Gentlemen, Grrrls on Film. Riot Grrrl auf der Leinwand und hinter der Kamera
Jonas Engelmann:
I will decide my life. Die Lyrics der Riot Grrrls
Tine Plesch:
Rocking the Free World. Riot Grrrl und Ladyfeste
Silke Graf / Vina Yun:
Do It Like a Lady! Die Riot Grrrls werden erwachsen. Im Gespräch mit Melanie Groß
Nomy Lamm:
It?s a Big Fat Revolution. Körperpolitik und Riot Grrrl
Katja Peglow:
Sisterhood is Forever. Im Gespräch mit den Riot-Grrrl-Zwillingen Kerstin und Sandra Grether
Katja Peglow: Quiet Riot
Maren Volkmann:
Riot Grrrl is Not Dead. Eine Spurensuche in den Nullerjahren
Jonas Engelmann / Katja Peglow:
Revolution auf Russisch. Wie aus Pussy Riot die neuen Riot Grrrls wurden
Anna Seidel:
A dress is not a yes! Sind Slutwalks die Zukunft des Feminismus?
Juliane Juergensohn / Anette Profus:
Grrrls Who Play Guitar. Girls Rock Camps als Ort der Selbstbestimmung
Atlanta Athens:
Word Up! ? Dein Wort für die Revolution. Das Projekt Shut Up and Speak
Brave New Girls
Riot-Grrrl-ABC
Einleitung: Who?s That Grrrl?
Riot Grrrl ist ? Das Riot-Grrrl-Manifest
Julia Downes:
There?s a Riot Going On ... Geschichte und Vermächtnis von Riot Grrrl
Gudrun Ankele:
Mädchen an die Macht. Manifeste und Geschichten feministischen Widerstands
Mary Celeste Kearney:
Die Missing Links. Riot Grrrl ? Feminismus ? Lesbische Kultur
Mimi Thi Nguyen:
Race & Riot. Über ein problematisches Verhältnis
Julia Gudzent:
Girls to the Front. Hardcore, Feminismus und Riot Grrrl
Katja Peglow / Jonas Engelmann:
Hit It or Quit It. Im Gespräch mit Jessica Hopper
Marisa Meltzer:
When She Went to School in Olympia ? Wie Girl Power mein Leben verändert hat
Vojin Sas?a Vukadinovic:
Boys in the back
Martin Büsser:
A Love Letter. Courtney Love über Riot Grrrl
Daniela Berner:
Ladies and Gentlemen, Grrrls on Film. Riot Grrrl auf der Leinwand und hinter der Kamera
Jonas Engelmann:
I will decide my life. Die Lyrics der Riot Grrrls
Tine Plesch:
Rocking the Free World. Riot Grrrl und Ladyfeste
Silke Graf / Vina Yun:
Do It Like a Lady! Die Riot Grrrls werden erwachsen. Im Gespräch mit Melanie Groß
Nomy Lamm:
It?s a Big Fat Revolution. Körperpolitik und Riot Grrrl
Katja Peglow:
Sisterhood is Forever. Im Gespräch mit den Riot-Grrrl-Zwillingen Kerstin und Sandra Grether
Katja Peglow: Quiet Riot
Maren Volkmann:
Riot Grrrl is Not Dead. Eine Spurensuche in den Nullerjahren
Jonas Engelmann / Katja Peglow:
Revolution auf Russisch. Wie aus Pussy Riot die neuen Riot Grrrls wurden
Anna Seidel:
A dress is not a yes! Sind Slutwalks die Zukunft des Feminismus?
Juliane Juergensohn / Anette Profus:
Grrrls Who Play Guitar. Girls Rock Camps als Ort der Selbstbestimmung
Atlanta Athens:
Word Up! ? Dein Wort für die Revolution. Das Projekt Shut Up and Speak
Brave New Girls
Riot-Grrrl-ABC
Rezension von Evelyn Gaida auf AVIVA-Berlin:
Rebellion und laute Gitarren für `angry young men´, eine Bandbreite von Essstörungen für 'angry young women'? Ach was: "Revolution Girl Style Now!" lautete Anfang der 1990er Jahre der Schlachtruf einer feministischen Musikbewegung, die von Bands wie Bikini Kill, Bratmobile oder Heavens to Betsy ins Leben gerufen wurde. Sie schlug international Wellen, öffnete Musikerinnen wie PJ Harvey oder Liz Phair die Tür und brachte Bands wie Sleater-Kinney oder L7 hervor. Beth Ditto von "Gossip" beruft sich heute ausdrücklich auf die Riot-Grrrl-Inspiration - doch Female Anger wird 20 Jahre später wieder als "unsexy, uncool oder hysterisch" verstanden, so die "Riot Grrrl Revisited"-HerausgeberInnen Katja Peglow und Jonas Engelmann.
Frauen und Wut. Eine Kombination, die AnhängerInnen genormter Rollenverteilungen und Frauenbilder sofort in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Der etablierte Typus des 'angry young man' darf sich auf den Bühnen und Kinoleinwänden dieser Welt wälzen und seinen Frust herausschreien, er gilt als begehrenswert und wild. Frauen, die extreme Gefühle öffentlich zum Ausdruck bringen, haftet dagegen noch immer das Negativ-Image der hysterischen Ziege oder aufsässigen Hexe an. Worüber sollten Frauen sich auch aufregen? Ihr Lebenszweck besteht schließlich in erster Linie darin, zu gefallen, so plärrt es ringsherum. Die Ur-Dominanz von Männern in den Territorien der Wut, der Auflehnung, des lauten Protests ist der Zement ihrer Dominanz auf weiteren Ebenen. Eine Fundgrube von Themen und Blickwinkeln, die mitten ins Herz dieses Zustands stoßen, ist die Aufsatzsammlung "Riot Grrrl Revisited", und das trotz akademischer Schreibweise. Hoch anzurechnen ist diesen Darstellungen, dass sie Widersprüchlichkeit betonen, nicht unterschlagen.
Sie hatten es satt. Ausgehend von der Punk- und Hardcoreszene der amerikanischen Städte Olympia, W.A. und Washington D.C. formierten sich zu Beginn der 90er Jahre Bands, die sich überwiegend aus Frontfrauen zusammensetzten. Ihre Musik war dementsprechend ein heftiger Frontalzusammenstoß mit einer Konstruktion von Weiblichkeit, die Frauen zielsicher auf den Rücksitz verfrachtet. Ihre Kritik entzündete sich auch an den eigenen Reihen: "Einer der Gründe für das Entstehen von Riot Grrrl liegt darin, dass viele Frauen und Mädchen innerhalb der Szene merkten, wie sehr die Punk-Szene in vielen Punkten mit der Mainstream-Gesellschaft identisch war. Wir hatten all diese Ideen von einer besseren Gesellschaft, trotzdem schlich sich durch die Hintertür der ganze Mist wieder ein", berichtete Sharon Cheslow, Musikerin von Chalk Circle und Fotografin.
Inspiriert von der Do-It-Yourself-Haltung des Punk schrieben die Riot Grrrls das Ziel auf ihre Fahnen, Frauen dazu zu ermutigen, sich in der männerdominierten Musikszene Gehör zu verschaffen, selbst Bands zu gründen ? den "Ausziehen!"-Rufen zum Trotz. Wo waren die weiblichen Vorbilder? Bis Riot Grrrl gab es in der Musikgeschichte nur spärlich verteilte Einzelkämpferinnen und Ausnahmekünstlerinnen. Nicht allein in der Musik, sondern auch durch politische Vernetzung, Ladyfeste und soziales Engagement sollte Frauen Raum gegeben werden, ihre Sicht und ihr Erleben zu artikulieren, die im Malestream sonst keinen Platz fanden: Themen wie Schönheitsterror, Abwertung und Missbrauch offen zu verhandeln und sich gegenseitig zu unterstützen, statt gegeneinander um (männliche) Aufmerksamkeit zu konkurrieren. Sie holten zum Rundumschlag gegen Sexismus, Homophobie und Diskriminierung aus, wobei natürlich auch abstruses Agitieren nicht ausblieb, jedoch mit einem selbstkritischen Blick.
Mitrevolutioniert wurde in vieler Hinsicht der Feminismus selbst, bis dahin auf einer vornehmlich politischen Ebene in akademischen Diskursen verhandelt und für Jugendliche unzugänglich. "Bei Riot Grrrl ging es zudem stark um die Rückgewinnung von tabuisierten Bildern oder Dingen, die nicht mit Feminismus in Zusammenhang gebracht wurden. Es war der Versuch, sie sich wieder anzueignen und zu sagen, dass sogar ein Girl feministisch sein kann, (...) dass wir Röcke tragen können und trotzdem Feministinnen sind", hält Allison Wolfe, Leadsängerin von Bratmobile, fest. Corin Tucker von Sleater-Kinney zufolge wurde Feminismus in eine emotionale Sprache verwandelt und kam laut Autorin Marisa Meltzer endlich nicht mehr "so machomäßig wie es geht" rüber. Für beide ein bahnbrechendes Schlüsselerlebnis.
Der mediale Backlash ließ nicht lange auf sich warten: Riot-Grrrl-Musikerinnen wurden als männerhassende Rotzgören porträtiert oder die Bewegung zum marketingtauglichen Trend-Etikett reduziert. In Deutschland war von Riot Grrrl herzlich wenig zu spüren, berichtet Katja Peglow: Die "männerdominierte Schreibumgebung" belächelte das Phänomen als "marginalen `Mädchenkram´" und ließ kaum Identifikationspotential übrig. Angesagt war nicht die Auseinandersetzung mit den Widersprüchlichkeiten und Zwängen des Mädchen-Daseins, sondern dessen domestizierte Variante: das Girlie. Peglow bringt es auf den Punkt: "(Girlies) sind so, wie Mädchen schon immer am liebsten gesehen wurden. Niedlich, verspielt, harmlos, statt aggressiv, laut und bedrohlich. Lieber feminin, als feministisch. Die Presse feierte den (von ihr kreierten) neuen Mädchentypus geradezu frenetisch, völlig ungeachtet dessen, dass doch nur wieder altbekannte Scheinlösungen für das weibliche Selbstbewusstsein geliefert wurden (gutes Aussehen), aber egal: endlich sahen 'Feministinnen' wieder besser aus!"
Was ist geblieben von Riot Grrrl, 20 Jahre später? Mehr Musikerinnen tummeln sich in verschiedenen Bands auf den Bühnen, Beth Ditto darf dick und lesbisch sein, wird aber dennoch ständig wegen ihres Aussehens und ihrer Klamotten besprochen, meint Autorin Maren Volkmann. 2001 fand in Portland, Oregon, das erste Girls Rock Camp statt, das Mädchen Raum, Instrumente, Workshops und Beratung zum intensiven Ausprobieren anbot. Während dieses Projekt in den U.S.A. und Schweden seither großzügig gefördert wird, ist der deutsche Trägerverein Ruby Tuesday e.V. auf ehrenamtliche Mitarbeit und Leihgaben angewiesen. "Die Frage '...und warum ist das jetzt eigentlich nur für Mädchen?' kommt selbst auf den Camps immer mal auf", so die Veranstalterinnen Juliane Juergensohn und Anette Profus. Ihre Antwort: "Weil es Jungs- und Männer-Rock-Camps schon gibt, aber ohne, dass die so heißen."
AVIVA-Tipp: Dieses Buch trifft so vielfach den Nerv, ins Schwarze und den Nagel auf den Kopf, dass die oft sperrigen Gender-Studies-Satzgebilde daran letztlich auch nichts ändern können. Die Lese-Mühe wird mit starkem Stoff belohnt, der wirkt.
AVIVA-Berlin
Rebellion und laute Gitarren für `angry young men´, eine Bandbreite von Essstörungen für 'angry young women'? Ach was: "Revolution Girl Style Now!" lautete Anfang der 1990er Jahre der Schlachtruf einer feministischen Musikbewegung, die von Bands wie Bikini Kill, Bratmobile oder Heavens to Betsy ins Leben gerufen wurde. Sie schlug international Wellen, öffnete Musikerinnen wie PJ Harvey oder Liz Phair die Tür und brachte Bands wie Sleater-Kinney oder L7 hervor. Beth Ditto von "Gossip" beruft sich heute ausdrücklich auf die Riot-Grrrl-Inspiration - doch Female Anger wird 20 Jahre später wieder als "unsexy, uncool oder hysterisch" verstanden, so die "Riot Grrrl Revisited"-HerausgeberInnen Katja Peglow und Jonas Engelmann.
Frauen und Wut. Eine Kombination, die AnhängerInnen genormter Rollenverteilungen und Frauenbilder sofort in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Der etablierte Typus des 'angry young man' darf sich auf den Bühnen und Kinoleinwänden dieser Welt wälzen und seinen Frust herausschreien, er gilt als begehrenswert und wild. Frauen, die extreme Gefühle öffentlich zum Ausdruck bringen, haftet dagegen noch immer das Negativ-Image der hysterischen Ziege oder aufsässigen Hexe an. Worüber sollten Frauen sich auch aufregen? Ihr Lebenszweck besteht schließlich in erster Linie darin, zu gefallen, so plärrt es ringsherum. Die Ur-Dominanz von Männern in den Territorien der Wut, der Auflehnung, des lauten Protests ist der Zement ihrer Dominanz auf weiteren Ebenen. Eine Fundgrube von Themen und Blickwinkeln, die mitten ins Herz dieses Zustands stoßen, ist die Aufsatzsammlung "Riot Grrrl Revisited", und das trotz akademischer Schreibweise. Hoch anzurechnen ist diesen Darstellungen, dass sie Widersprüchlichkeit betonen, nicht unterschlagen.
Sie hatten es satt. Ausgehend von der Punk- und Hardcoreszene der amerikanischen Städte Olympia, W.A. und Washington D.C. formierten sich zu Beginn der 90er Jahre Bands, die sich überwiegend aus Frontfrauen zusammensetzten. Ihre Musik war dementsprechend ein heftiger Frontalzusammenstoß mit einer Konstruktion von Weiblichkeit, die Frauen zielsicher auf den Rücksitz verfrachtet. Ihre Kritik entzündete sich auch an den eigenen Reihen: "Einer der Gründe für das Entstehen von Riot Grrrl liegt darin, dass viele Frauen und Mädchen innerhalb der Szene merkten, wie sehr die Punk-Szene in vielen Punkten mit der Mainstream-Gesellschaft identisch war. Wir hatten all diese Ideen von einer besseren Gesellschaft, trotzdem schlich sich durch die Hintertür der ganze Mist wieder ein", berichtete Sharon Cheslow, Musikerin von Chalk Circle und Fotografin.
Inspiriert von der Do-It-Yourself-Haltung des Punk schrieben die Riot Grrrls das Ziel auf ihre Fahnen, Frauen dazu zu ermutigen, sich in der männerdominierten Musikszene Gehör zu verschaffen, selbst Bands zu gründen ? den "Ausziehen!"-Rufen zum Trotz. Wo waren die weiblichen Vorbilder? Bis Riot Grrrl gab es in der Musikgeschichte nur spärlich verteilte Einzelkämpferinnen und Ausnahmekünstlerinnen. Nicht allein in der Musik, sondern auch durch politische Vernetzung, Ladyfeste und soziales Engagement sollte Frauen Raum gegeben werden, ihre Sicht und ihr Erleben zu artikulieren, die im Malestream sonst keinen Platz fanden: Themen wie Schönheitsterror, Abwertung und Missbrauch offen zu verhandeln und sich gegenseitig zu unterstützen, statt gegeneinander um (männliche) Aufmerksamkeit zu konkurrieren. Sie holten zum Rundumschlag gegen Sexismus, Homophobie und Diskriminierung aus, wobei natürlich auch abstruses Agitieren nicht ausblieb, jedoch mit einem selbstkritischen Blick.
Mitrevolutioniert wurde in vieler Hinsicht der Feminismus selbst, bis dahin auf einer vornehmlich politischen Ebene in akademischen Diskursen verhandelt und für Jugendliche unzugänglich. "Bei Riot Grrrl ging es zudem stark um die Rückgewinnung von tabuisierten Bildern oder Dingen, die nicht mit Feminismus in Zusammenhang gebracht wurden. Es war der Versuch, sie sich wieder anzueignen und zu sagen, dass sogar ein Girl feministisch sein kann, (...) dass wir Röcke tragen können und trotzdem Feministinnen sind", hält Allison Wolfe, Leadsängerin von Bratmobile, fest. Corin Tucker von Sleater-Kinney zufolge wurde Feminismus in eine emotionale Sprache verwandelt und kam laut Autorin Marisa Meltzer endlich nicht mehr "so machomäßig wie es geht" rüber. Für beide ein bahnbrechendes Schlüsselerlebnis.
Der mediale Backlash ließ nicht lange auf sich warten: Riot-Grrrl-Musikerinnen wurden als männerhassende Rotzgören porträtiert oder die Bewegung zum marketingtauglichen Trend-Etikett reduziert. In Deutschland war von Riot Grrrl herzlich wenig zu spüren, berichtet Katja Peglow: Die "männerdominierte Schreibumgebung" belächelte das Phänomen als "marginalen `Mädchenkram´" und ließ kaum Identifikationspotential übrig. Angesagt war nicht die Auseinandersetzung mit den Widersprüchlichkeiten und Zwängen des Mädchen-Daseins, sondern dessen domestizierte Variante: das Girlie. Peglow bringt es auf den Punkt: "(Girlies) sind so, wie Mädchen schon immer am liebsten gesehen wurden. Niedlich, verspielt, harmlos, statt aggressiv, laut und bedrohlich. Lieber feminin, als feministisch. Die Presse feierte den (von ihr kreierten) neuen Mädchentypus geradezu frenetisch, völlig ungeachtet dessen, dass doch nur wieder altbekannte Scheinlösungen für das weibliche Selbstbewusstsein geliefert wurden (gutes Aussehen), aber egal: endlich sahen 'Feministinnen' wieder besser aus!"
Was ist geblieben von Riot Grrrl, 20 Jahre später? Mehr Musikerinnen tummeln sich in verschiedenen Bands auf den Bühnen, Beth Ditto darf dick und lesbisch sein, wird aber dennoch ständig wegen ihres Aussehens und ihrer Klamotten besprochen, meint Autorin Maren Volkmann. 2001 fand in Portland, Oregon, das erste Girls Rock Camp statt, das Mädchen Raum, Instrumente, Workshops und Beratung zum intensiven Ausprobieren anbot. Während dieses Projekt in den U.S.A. und Schweden seither großzügig gefördert wird, ist der deutsche Trägerverein Ruby Tuesday e.V. auf ehrenamtliche Mitarbeit und Leihgaben angewiesen. "Die Frage '...und warum ist das jetzt eigentlich nur für Mädchen?' kommt selbst auf den Camps immer mal auf", so die Veranstalterinnen Juliane Juergensohn und Anette Profus. Ihre Antwort: "Weil es Jungs- und Männer-Rock-Camps schon gibt, aber ohne, dass die so heißen."
AVIVA-Tipp: Dieses Buch trifft so vielfach den Nerv, ins Schwarze und den Nagel auf den Kopf, dass die oft sperrigen Gender-Studies-Satzgebilde daran letztlich auch nichts ändern können. Die Lese-Mühe wird mit starkem Stoff belohnt, der wirkt.
AVIVA-Berlin