Annie ist sauer auf ihren Mann Simon, weil dem das Baby im Kindersitz vom Autodach gefallen ist. Zum Glück ist Annie Robotikingenieurin und das Baby nur eine Maschine. Simon hat nun mal einfach kein Händchen für komplizierte Technik_...
Ein Geschäftsessen im Stripclub, und als Schmuckstück der Firma unter all den mächtigen älteren Frauen: der junge, hübsche Praktikant. Er weiß, dass der Mann von heute alles haben kann, Karriere und Sexappeal! Also lacht er mit - und heult höchstens heimlich auf dem Klo_...
Die misanthropische Ms Lehman arbeitet in einer staatlich geförderten Medienagentur, die zur Hebung der Volksmoral Welpenvideos online stellt. Niemand hätte ihr die Tierbefreiungsaktion im Lisbeth-Salander-Style zugetraut, doch auch das Video davon ist ein Hit_...
Willkommen im Universum von Laurie Penny! Nach ihren erfolgreichen Sachbüchern "Unsagbare Dinge" und "Fleischmarkt", mit jeweils über 10 000 verkauften Exemplaren, legt sie hier zum ersten Mal Erzählungen vor, feministische Science Fiction & Fantasy vom Feinsten. Ihr scharfer Blick für unbemerkte Zusammenhänge, ihr beißender Humor und ihr kluges Vergnügen an treffenden Bildern machen die Geschichten zu einer so unterhaltsamen wie provokanten Lektüre.
Leseproben/Buchauszüge gibt es hier:
» www.spiegel.de/spiegel/kulturspiegel/d-132762813.html
» www.zeit.de/kultur/literatur/2016-02/laurie-penny-toetungsglas-babys-machen
Autor*in / Hrsg.: | Laurie Penny |
Belletristik: | Fantasy & Science Fiction |
Details: | Übersetzt von: Anne Emmert Umfang: 176 S. Einband: Gebunden Format (T/L/B): 2 x 21.5 x 13 cm Gewicht: 321 g Erscheinungsdatum: 03.03.2016 |
'Also', sagte Annie. 'Ich möchte gern mit dir darüber reden, was gestern passiert ist.'
'Du hattest vergessen, dass das Baby noch auf dem Dach war.' Er wünschte, sie hätte nicht diesen verdammt freundlichen Ton am Leib, wie ein Priester, der die Beichte abnimmt.
'Ich bin angefahren, und da ist der Kindersitz vom Dach gerutscht und auf den Asphalt gefallen.'
Richtig unheimlich war, dachte Simon, dass Tommy nicht geweint hatte. Keinen Laut hatte er von sich gegeben. Simon hatte Plop mit einer Vollbremsung zum Stehen gebracht, und da war Tommy: Er hing kopfüber in seinem himmelblauen Autositz und strampelte mit den pummeligen kleinen Armen und Beinen.
Simon sah immer und immer wieder nach, ob ihm etwas zugestoßen war, ob er unter Schock stand, aber da war nichts, nur dieser kleine Kratzer, dort, wo das Baby mit der Stirn auf den Asphalt gekommen war. Keine Schwellung, kein Blut.
Natürlich. Wie auch.
'Es war keine Absicht. Ich habe einfach nicht aufgepasst.'
'Ich weiß, du hast nicht aufgepasst. Genau das ist das Problem, dass du nicht aufpasst', sagte Annie ruhig. 'Wenn die Dinge anders gelagert wären, hätte Tommy schwer verletzt werden können. Er hätte sterben können.'
'Aber er ist eben kein richtiges Baby!'
Dass Laurie Penny eine leidenschaftliche Feministin und kluge Sachbuchautorin ist, hat sie in den vergangenen Jahren eindrucksvoll bewiesen. Jetzt will die Britin auch mit ihren "Short Stories" überzeugen...
Zurzeit ist es gang und gäbe, dass KünstlerInnen die Disziplinen wechseln: PopmusikerInnen reüssieren am Theater und in der Modewelt, Bildende KünstlerInnen machen Musik, und gefühlt jede und jeder schreibt Krimis. Warum auch nicht? Genregrenzen sind schließlich von vorgestern, und nicht selten führt der Wechsel von Perspektive und Instrumentarium zu interessanten Ergebnissen.
Für Laurie Penny, die laut eigener Aussage "immer und überall" schreibt, war es scheinbar nur eine Fingerübung, von Sachbuchthemen auf erzählerische Texte umzuschalten. Die 30-jährige Penny wurde vor knapp vier Jahren mit der feministischen Streitschrift "Fleischmarkt. Weibliche Körper im Kapitalismus" bekannt, im Nachfolgeband "Unsagbare Dinge. Sex, Lügen und Revolution" verband die Engländerin feministisch-gesellschaftlichen Aktivismus mit privaten Erfahrungen und traf damit den Nerv der Zeit: Laurie Penny ist die derzeit populärste und streitbarste Protagonistin eines modernen Feminismus, der mit überholten Klischees aufräumt und gleichzeitig nach Wegen sucht, mit denen sich möglichst viele Frauen (und auch Männer und Trans*Menschen) identifizieren können. Pennys Gefolgschaft ist inzwischen riesig, ihre Lesungen regelmäßig ausverkauft - kein Wunder, schließlich sind ihre Texte furios, direkt und klug, und haben enormes Identifikationspotenzial.
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Rezension von Sabine Rohlf in der Berliner Zeitung:
Buch von Laurie Penny: Callcenter-Engel und selbstgeschweißte Babys
Haben Sie schon mal was von Serienmord als Kunstform gehört? Von Killern, die in kulturbehördlich abgestecktem Rahmen meucheln, um Fördertöpfe und Clicks konkurrieren und die Gemeinschaft von Lebensmüden erlösen? In Laurie Pennys Erzählung "Das Tötungsglas" erzählt uns die begabte Assistentin eines mittelmäßigen Strangulierers von dieser Branche. Sie ist nur ein bisschen fieser als die Massenproduktion kuscheliger Welpenvideos in "Blue Monday" oder, in noch einer anderen Story, der Callcenter-Arbeitsplatz glattzüngiger Engel und Dämonen. Sie alle stammen aus einem Buch, auf dessen Cover eine Frau prangt, die einen niedlichen nackten Säugling mit einem Schweißgerät bearbeitet, dass die Funken nur so fliegen. Es ist Pennys literarisches Debüt.
Literatur statt Gesellschaftskritik
Bisher ist sievor allem als feministische Bloggerin, Journalistin und Sachbuchautorin bekannt. "Riot, don't diet" war ihr Schlachtruf in "Fleischmarkt", wo sie meinte, dass die Weltwirtschaft zusammenbräche, sobald Frauen ihre Energien nicht länger an Beauty-Industrie, Selbstausbeutung und Haushalt verplemperten. In "Unsagbare Dinge" verfolgte sie Geschlechter-Hierarchien bis in den letzten Winkel der Arbeitswelt, Netzkultur oder Herzen. Ihre Spezialität ist es, Kompliziertes so zu durchleuchten, dass wirklich alle die Knackpunkte verstehen. Statt sich auf Pro-Contra-Debatten über Pornographie oder Sexarbeit einzulassen, fragt sie bloß, warum erstere nur hierarchisch und retuschiert marktfähig sei und letztere nie als wirklich faires Geschäft. Ihren klaren Blick fürs Wesentliche präsentiert sie in temperamentvollen, oft drastischen Worten. Nicht wenige ihrer Leserinnen fragen sich daher schon länger, wie es wohl wäre, wenn sie mal keine anwendungsorientierte Gesellschaftskritik, sondern Literatur verfassen würde.
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Rezension von Anja Kümmel auf FIXPOETRY:
Laurie Penny lässt in zehn bitterbösen Short Storys die feministische Science Fiction wieder aufleben.
Gott ist tot. Oder vielleicht hat er nie existiert. Ist auch egal - Gebete werden trotzdem erhört, und zwar im Callcenter der "Himmlischen Heerscharen", in dem eine Vielzahl gut ausgebildeter Engel und Dämonen nach tariflichen Verträgen arbeiten. Kein einfacher Job, vor allem wenn mal wieder irgendwo auf der Welt ein Tornado wütet und alle Drähte heiß laufen. Ansonsten funktioniert im Himmel das meiste wie bei jeder stinknormalen irdischen Hotline, bis hin zur automatischen Ansage in der Warteschleife: "Ihre Gebete können für Schulungszwecke und zur Qualitätssicherung aufgezeichnet werden." Es gilt die Sieben-Minuten-Regel; erfüllt ein Engel seine Quote nicht, gibt es Rüffel von Uriel, dem Abteilungsleiter.
Es sind genau diese kleinen Verschiebungen, die das Bekannte mit dem Absurden verquicken, die Laurie Pennys neuen Kurzgeschichtenband zu einem besonderen Lesevergnügen machen. Dabei ist das, was sie einem in "Babys machen" serviert, beileibe nicht immer angenehm. Etwas anderes wäre von der scharfzüngigen Netzaktivistin, die den meisten als Bloggerin und Sachbuchautorin bekannt sein dürfte, auch gar nicht zu erwarten gewesen. Eloquenz und Wortwitz ihrer Streitschrift "Unsagbare Dinge" (2015) ließen bereits erahnen, dass Penny das Zeug zur Prosa besitzt. Ein derart sprühendes Feuerwerk an fantastischen Einfällen und liebevoll ausgestalteten Universen übertrifft jedoch alle Erwartungen.
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