Zu Selma Merbaums Leben in Czernowitz und zu ihrer Familie war bisher so gut wie nichts bekannt. Das mörderische Zerstörungswerk der Nazis und die anschließenden Kriegs- und Nachkriegswirren schienen Informationen zu ihr und ihrem Leben restlos getilgt zu haben. Nicht einmal ihr Name war richtig überliefert worden. In jahrelanger Forschung hat Marion Tauschwitz Daten, Ereignisse und Fakten zum Leben der jungen Künstlerin gesammelt, Archivmaterial aus der Ukraine, England, den USA und Deutschland gesichtet und ausgewertet, Dokumente geborgen, Zeitzeugen ausfindig gemacht und befragt.
In dieser spannenden, sprachlich einfühlsamen und wissenschaftlich fundierten Biografie hat Marion Tauschwitz das Leben der jungen Dichterin rekonstruiert und alle ihre Gedichte nach den Originalhandschriften neu übertragen.
Leseprobe
Autor*in / Hrsg.: | Marion Tauschwitz |
Biografien von/über: | Schriftstellerinnen |
Zeitepoche: | 20. und 21. Jh. |
Thema: | jüdische Frauen |
Weitere Informationen: | Umfang: 348 S. Einband: Gebunden Format (T/L/B): 3.6 x 21 x 13.5 cm Gewicht: 492 g Erscheinungsdatum: 29.08.2014 ~ LESEPROBE ~ |
Rezension von Ramona Ambs auf AVIVA-Berlin:
Wie Selma Merbaum wieder zu ihrem richtigen Namen kam, wie sie lebte und was sie bewegte, und was das alles mit ihren Gedichten zu tun hat, erzählt diese neue 350 Seiten starke Biografie. "Friederika Merbaum hatte sich an jenem Dienstag auf den Weg in die "Maternitatea" gemacht. Dort sollte ihr erstes Kind zur Welt kommen. Kein leichter Entschluss- denn wer es sich leisten konnte, mied die Gebäranstalt..."
So beschreibt Marion Tauschwitz Selmas Start ins Leben.
Ein viel zu kurzes Leben. Denn Selma Merbaum, deren Gedichte heute zur Weltliteratur zählen, starb im Arbeitslager Michailowka in der Ukraine mit gerade einmal achtzehn Jahren. Ihre achtundfünfzig Gedichte, die sie selbst zu einem Buch zusammenband und mit dem Titel "Blütenlese" versah, waren ihrem Freund Lejser Fichmann gewidmet. Lejser war, wie Selma selbst, Mitglied der zionistischen Jugendgruppe Hashomer Hatzair, in der sich viele jüdische Jugendliche aus Czernowitz zusammenfanden. In "Gilu", - einem ihrer ersten Gedichte, beschreibt Selma die Zusammenkünfte der Gruppe : "alle lachen wir und alle singen und jubeln wir mit- und tanzen, tanzen - als gälte es unser Leben..."
Als Selma deportiert wurde, gab sie die Gedichte einem Freund, den sie bat, das Büchlein an ihre Freundin Else weiterzugeben, damit diese es Lejser geben könne. Lejser erhielt die Gedichte, gab das Büchlein jedoch an Else zurück, als er nach Palästina floh. Dort kam er jedoch nie an, weil das Schiff, mit dem er in die Freiheit wollte, torpediert wurde. So kam Selmas Blütenlese zurück zu Else, die es quer durch Europa trug und schließlich bis nach Israel mitnahm. Dort wurden die Gedichte erstmals 1976 von Hersch Segal, einem Lehrer Selmas, veröffentlicht. Ihren Weg nach Deutschland fanden sie erst in den achtziger Jahren, und richtig bekannt wurden sie vor allem durch David Klein, der im Jahr 2005 Selmas Gedichte vertonte.
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