Nadine Teuber: Das Geschlecht der Depression. »Weiblichkeit« und »Männlichkeit« in der Konzeptualisierung depressiver Störungen
Depressionsdiagnosen nehmen weltweit zu. Das Bild der Depression ist dabei statistisch und ikonographisch das einer Frau. Frauen sind einem doppelt hohen Depressionsrisiko ausgesetzt und Weiblichkeitsstereotype erscheinen als Ausdruck depressiver Symptome.
Dieses Buch widmet sich der Darstellung und Untersuchung der konzeptuellen Verflechtungen von kulturellen Geschlechternormen im Depressionsdiskurs. Nadine Teuber folgt hierfür den Spuren des vergeschlechtlichten Umgangs mit Verlusten aus medizinisch-psychologischer, psychoanalytischer und kulturwissenschaftlicher Perspektive - von der 'melancholischen Männlichkeit' der Antike bis zur modernen Medikalisierung 'depressiver Weiblichkeit'.
Dieses Buch widmet sich der Darstellung und Untersuchung der konzeptuellen Verflechtungen von kulturellen Geschlechternormen im Depressionsdiskurs. Nadine Teuber folgt hierfür den Spuren des vergeschlechtlichten Umgangs mit Verlusten aus medizinisch-psychologischer, psychoanalytischer und kulturwissenschaftlicher Perspektive - von der 'melancholischen Männlichkeit' der Antike bis zur modernen Medikalisierung 'depressiver Weiblichkeit'.
Autor*in / Hrsg.: | Nadine Teuber |
Weitere Informationen: | GenderStudies Umfang: 319 S., zahlr. z.T. farb. Abb. Einband: Kartoniert Format (T/L/B): 2.4 x 22.6 x 13.6 Gewicht: 467 g Erscheinungsdatum: 15.05.2011 ~ LESEPROBE ~ |
Interview mit Nadine Teuber
1. »Bücher, die die Welt nicht braucht.« Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?
Die Diagnose der 'Volkskrankheit' Depression nimmt zu. Dabei sind doppelt so viele Frauen wie Männer betroffen. Die Leitfrage des Buches, nach den Gründen für das erhöhte Depressionsrisiko bei Frauen, ist daher drängend. Stereotype 'depressiver Weiblichkeit' werden dabei ebenso untersucht und hinterfragt wie die Entstehung und die Abwehr 'depressiver Männlichkeit'. Aufgezeigt und verknüpft werden Perspektiven aus Psychologie, Medizin, Psychoanalyse, Gender Studies und den Kulturwissenschaften.
2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?
In einer geschlechtsspezifischen Untersuchung der Depression als Frauenkrankheit besteht die Gefahr, dass Frauen als krankes Geschlecht naturalisiert werden. Das Buch fragt daher aus inter- bzw. transdisziplinärer Perspektive nach der Herstellung von Geschlecht im Depressionsdiskurs. Diskutiert wird der spezifische Zusammenhang zwischen 'Weiblichkeit', 'Männlichkeit' und Depression, aber auch sein Herstellungsprozess und seine (un-)bewussten Verwerfungen. Dabei zeigt sich, dass Verluste von Frauen und Verluste von Männern eine unterschiedliche Bedeutung erfahren, in dem männliche Verluste symbolisierbar und ermächtigend wirken, während weibliche Verluste sprachlos und passiv im weiblichen Körper verleiblicht werden und weniger gesellschaftliche Wahrnehmung oder Anerkennung erhalten.
3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in den aktuellen Forschungsdebatten zu?
Geschlechtercodes schreiben sich nicht nur in disziplinäre Depressionskonzepte ein, sondern sie beeinflussen auch die gesellschaftliche Wahrnehmung und die Selbstzuschreibungen depressiver Personen. Die Frage nach einem 'Geschlecht der Depression' ist daher sowohl für eine genderkritische Theorie der Depressionsforschung als auch für eine geschlechtersensible klinische Praxis relevant.
4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten diskutieren?
Mit psychotherapeutischen Kolleginnen und Kollegen. Mich würde interessieren, welche unterschiedlichen Erfahrungen sie in ihrer Praxis mit der Bedeutung von Geschlechterfragen in der Depressionsgenese machen. Und natürlich mit depressiven Patientinnen und Patienten, deren individuelle Erfahrung mit 'depressiver Weiblichkeit' und ?depressiver Männlichkeit? mich besonders interessieren.
5. Ihr Buch in einem Satz:
»Das Geschlecht der Depression« untersucht Spuren früher Verluste sowohl in der Aneignung der Geschlechtsidentität als auch in der Depressionsentstehung und fragt nach ihrer Bedeutung für ein interdisziplinäres Depressionsmodell.
1. »Bücher, die die Welt nicht braucht.« Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?
Die Diagnose der 'Volkskrankheit' Depression nimmt zu. Dabei sind doppelt so viele Frauen wie Männer betroffen. Die Leitfrage des Buches, nach den Gründen für das erhöhte Depressionsrisiko bei Frauen, ist daher drängend. Stereotype 'depressiver Weiblichkeit' werden dabei ebenso untersucht und hinterfragt wie die Entstehung und die Abwehr 'depressiver Männlichkeit'. Aufgezeigt und verknüpft werden Perspektiven aus Psychologie, Medizin, Psychoanalyse, Gender Studies und den Kulturwissenschaften.
2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?
In einer geschlechtsspezifischen Untersuchung der Depression als Frauenkrankheit besteht die Gefahr, dass Frauen als krankes Geschlecht naturalisiert werden. Das Buch fragt daher aus inter- bzw. transdisziplinärer Perspektive nach der Herstellung von Geschlecht im Depressionsdiskurs. Diskutiert wird der spezifische Zusammenhang zwischen 'Weiblichkeit', 'Männlichkeit' und Depression, aber auch sein Herstellungsprozess und seine (un-)bewussten Verwerfungen. Dabei zeigt sich, dass Verluste von Frauen und Verluste von Männern eine unterschiedliche Bedeutung erfahren, in dem männliche Verluste symbolisierbar und ermächtigend wirken, während weibliche Verluste sprachlos und passiv im weiblichen Körper verleiblicht werden und weniger gesellschaftliche Wahrnehmung oder Anerkennung erhalten.
3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in den aktuellen Forschungsdebatten zu?
Geschlechtercodes schreiben sich nicht nur in disziplinäre Depressionskonzepte ein, sondern sie beeinflussen auch die gesellschaftliche Wahrnehmung und die Selbstzuschreibungen depressiver Personen. Die Frage nach einem 'Geschlecht der Depression' ist daher sowohl für eine genderkritische Theorie der Depressionsforschung als auch für eine geschlechtersensible klinische Praxis relevant.
4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten diskutieren?
Mit psychotherapeutischen Kolleginnen und Kollegen. Mich würde interessieren, welche unterschiedlichen Erfahrungen sie in ihrer Praxis mit der Bedeutung von Geschlechterfragen in der Depressionsgenese machen. Und natürlich mit depressiven Patientinnen und Patienten, deren individuelle Erfahrung mit 'depressiver Weiblichkeit' und ?depressiver Männlichkeit? mich besonders interessieren.
5. Ihr Buch in einem Satz:
»Das Geschlecht der Depression« untersucht Spuren früher Verluste sowohl in der Aneignung der Geschlechtsidentität als auch in der Depressionsentstehung und fragt nach ihrer Bedeutung für ein interdisziplinäres Depressionsmodell.
'Die vorliegende Studie zum Geschlecht der Depression gibt durch ihre differenzierten Diskussionen des jeweiligen state of the art einen bemerkenswert fundierten Einblick in drei Disziplinen. Die Autorin verhandelt das Phänomen der Depression auf sehr hohem analytischem Niveau und bietet vielfältige Einsatzpunkte für weitergehende Reflexionen.'
Karen Wagels, www.querelles-net, 14/1 (2013)
Karen Wagels, www.querelles-net, 14/1 (2013)