Nadja Tolokonnikowa: Anleitung für eine Revolution
Mit zehn Jahren wird Nadeschda Tolokonnikowa Feministin, mit sechzehn Philosophiestudentin, mit einundzwanzig Mitbegründerin der Band Pussy Riot. Mit ihrem Punk-Gebet macht die Gruppe die Welt 2012 auf die Verquickung von Kirche und Staatsmacht in Russland aufmerksam. Als Putins Richter sie verurteilen, nutzt sie die Bühne des Gerichts für eine Verteidigung der Freiheit und der Menschenrechte. Und während ihr Land sich der autokratischen Herrschaft ergibt, beharren sie und ihre Mitstreiterinnen darauf, dass Widerstand möglich ist. 'Anleitung für eine Revolution' erzählt Nadeschda Tolokonnikowas Geschichte, und zugleich ist es ihr Manifest. Es handelt vom Kampf gegen ein System, in dem nur frei ist, wer sich anpasst.
Leseprobe
Autor*in / Hrsg.: | Nadja Tolokonnikowa |
Feminismus: | Pop_Punkfeminismus Russischer Feminismus |
Thema: | russische Frauen |
Details: | Übersetzt von: Friederike Meltendorf/Jennie Seitz Umfang: 224 S. Einband: Kartoniert Format (T/L/B): 2 x 20.5 x 12.6 cm Gewicht: 291 g Erscheinungsdatum: 22.02.2016 ~ LESEPROBE ~ |
Rezension von Dorothee Robrecht auf Aviva-Berlin:
Die Aktionskünstlerin und Frontfrau der Moskauer Frauen-Punkband Pussy Riot stellte am 14. März 2016 im Maxim Gorki Theater ihr Buch "Anleitung zu einer Revolution" vor. Dorothee Robrecht war für AVIVA da.
Nadja Tolokonnikowa ist eine sehr schöne Frau, eine Frau mit vielen Gesichtern. Auf Verlagsfotos wirkt sie damenhaft, heute allerdings kommt sie als Punk: schwarz geschminkte Lippen zu Leggins mit Totenkopf-Print und schicken Sneakers. Die Bühne betritt sie wie eine, die weiß, dass sie verehrt wird - nicht nur für ihre Schönheit, sondern auch für ihren Mut. Sie hat das System Putin kritisiert und zwei Jahre lang dafür gesessen, in einem Frauengefängnis in der russischen Provinz. Seit 2014 ist sie wieder frei, und sie ist viel unterwegs. Gerade erst war sie in Los Angeles, um neue Musik zu produzieren, und jetzt ist sie in Berlin, um ihr Buch vorzustellen.
"Anleitung zu einer Revolution" heißt es, und es ist eine Mischung aus politischem Manifest und Autobiographie: kein Fließtext, sondern eine Aneinanderreihung kurzer Szenen, dazwischen Aufrufe wie "Lebe so, dass dein Leben ein Film sein könnte", "Tue das Unmögliche" oder "Mach Wasser zu Wein. Sei ein Superheld". Größenwahnsinnig klänge das, wäre da nicht die tatsächlich heroische Biographie der Autorin:
1989 in Sibirien geboren, wird Tolokonnikowa mit 10 zur Feministin. Mit 16 geht sie nach Moskau, um Philosophie zu studieren, und mit 21 fordert sie Putin heraus: in einer spektakulären Aktion, die weltweites Aufsehen erregt und ihr Fans einbringt wie Madonna oder Hillary Clinton. Mit 22 sitzt im Gefängnis, und so menschenverachtend die Umstände dort auch sind - besonders beeindruckt zeigt Tolokonnikowa sich nicht. Ihr Buch beschreibt diese Strafkolonie für Frauen, als wäre es die russische Version von "Orange is the new Black":
"Die Sorokina pisst, als hätte sie einen Schwanz", raunen die Näherinnen der mordwinischen Strafkolonie einander bei der Arbeit zu.
Ich wusste von Sorokina nur, dass sie sich durch die halbe Kolonie gefickt hat. In mir ruft so etwas eine Flut übermenschlicher Zärtlichkeit hervor.
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Rezension von Margarete Stokowski auf spiegel.de:
Heute will ich nicht motzen, heute muss ich lobhudeln, es geht nicht anders. Und über etwas Schönes reden.
Man liest so viel über Menschlichkeit gerade, und wie sie gefährdet ist. "Bestimmten Verhältnissen dem Leben gegenüber ist Radikalität das einzig Vernünftige, was Humanität noch rettet", hat Roger Willemsen gesagt.
Von Radikalität liest man gerade auch viel, aber viel zu oft im Negativen. Über enthemmte Nazis und von sich selbst berauschte Populisten. Wenn Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich über die Rassisten von Bautzen und Clausnitz sagt, "das sind keine Menschen, die so was tun", dann ist das eine skurrile und verlogene Ausflucht. Aber: Es gibt das auch in die andere Richtung. Es gibt Menschen, die sind so stark und so gut, dass man daran zweifelt, ob man es noch mit menschlichen Kräften zu tun hat.
Ein Manifest gegen die Scheiße
Nadeschda Tolokonnikowa, genannt Nadja, ist so eine. Sie ist 26 und wurde bekannt als Mitglied der Punkband Pussy Riot, als sie 2012 in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau auftrat und dafür zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt wurde. "Muttergottes, jage Putin weg" war der Titel ihres "Punk-Gebets". "Wenn ich meine Schuld eingestehen muss, um rauszukommen, bleibe ich hier", sagte Tolokonnikowa zu Beginn ihrer Haft. Vielleicht hätte sie vorzeitig aus der Haft entlassen werden können, hätte sie an einem Schönheitswettbewerb im Gefängnis teilgenommen - wollte sie aber nicht. Sie arbeitete lieber an etwas anderem: an sich.
Über ihre politischen Aktivitäten und die Zeit im Straflager hat Nadja Tolokonnikowa nun ein Buch geschrieben: "Anleitung für eine Revolution". Man kann dieses Buch gut als etwas lesen, das dem ganzen Elend etwas Gutes entgegensetzt, und zwar weit über den russischen Kontext hinaus. Ein Manifest gegen die Scheiße.
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Rezension im Hamburger Abendblatt vom 22.02.2016:
Ihr Protest in einer Kirche gegen Kremlchef Putin machte die russische Frauen-Punkband Pussy Riot weltberühmt. Ihre Erlebnisse im Straflager arbeitet die Frontfrau Nadja Tolokonnikowa nun in einem Buch auf. Und sie kommt nach Deutschland.
Berlin. Seit gut zwei Jahren ist die Aktionskünstlerin Nadja Tolokonnikowa von der Moskauer Punkband Pussy Riot wieder in Freiheit - und kämpft weiter gegen das System von Kremlchef Wladimir Putin.
In einem neuen Videoclip ist die Frontfrau etwa zu sehen, wie sie gegen ein mafiöses Netz des russischen Generalstaatsanwalts Juri Tschaika Front macht. Vor allem aber versteht sich die 26-Jährige heute als Menschenrechtsaktivistin, die sich für den inhaftierten russischen Aktionskünstler Pjotr Pawlenski und andere Gefangene - nicht nur die politischen - einsetzt. Ihre eigenen schmerzhaften Erfahrungen im Straflager schildert sie nun in einem Buch.
"Anleitung für eine Revolution" (Hanser Berlin) heißt der am Montag veröffentlichte tagebuchartige Bericht, der nicht nur die Geschichte der Frauen-Punkband Pussy Riot erzählt, die 2012 weltweit Schlagzeilen machte. Ein Moskauer Gericht verurteilte die überzeugte Feministin Tolokonnikowa und ihre Mitstreiterin Maria Aljochina damals zu zwei Jahren Straflager - nach einem schrillen Punkprotest in einer Kirche. Pussy Riot hatte mit der Aktion die unheilige Allianz zwischen Staat und Kirche, zwischen Putin und dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kirill angeprangert.
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Rezension in DIE WELT vom 22.02.2016:
Die russische Revolution ist nur noch ein Traum
Schon die Musik von Pussy Riot war Protestkunst. Nun hat Nadja Tolokonnikowa eine "Anleitung für eine Revolution" geschrieben. Aber passt ein solches Manifest noch in die heutige Putin-Ära?
Sommer 2012, das Bild ging um die Welt: Nadja Tolokonnikowa saß im Käfig eines Moskauer Gerichtssaals. Gemeinsam mit Marija Aljochina und Jekaterina Samutzewitsch, ihren Mistreiterinnen in der russischen Punkband Pussy Riot, stand sie unter Anklage. "Muttergottes, Jungfrau, verjage Putin", hatten die jungen Frauen skandiert und in bunten Häkelmasken und bunten Strümpfen vor dem Altar in der Moskauer Christi-Erlöser-Kathedrale getanzt.
Was waren das bloß für Zeiten! Damals, im Winter 2011/12, gingen noch Tausende Menschen in Moskau für faire Wahlen und gegen Putin auf die Straße, noch im Mai 2012 waren laut Umfragen nur etwas mehr als 50 Prozent mit der Politik ihres Präsidenten zufrieden - im Unterschied zu den heutigen 82 Prozent. Es gab noch keine Gesetze über "ausländische Agenten" und "unerwünschte Organisationen" in Russland, die Krim war nicht annektiert, der Donbass friedlich. Eine Revolution schien nicht unmöglich.
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Die Aktionskünstlerin und Frontfrau der Moskauer Frauen-Punkband Pussy Riot stellte am 14. März 2016 im Maxim Gorki Theater ihr Buch "Anleitung zu einer Revolution" vor. Dorothee Robrecht war für AVIVA da.
Nadja Tolokonnikowa ist eine sehr schöne Frau, eine Frau mit vielen Gesichtern. Auf Verlagsfotos wirkt sie damenhaft, heute allerdings kommt sie als Punk: schwarz geschminkte Lippen zu Leggins mit Totenkopf-Print und schicken Sneakers. Die Bühne betritt sie wie eine, die weiß, dass sie verehrt wird - nicht nur für ihre Schönheit, sondern auch für ihren Mut. Sie hat das System Putin kritisiert und zwei Jahre lang dafür gesessen, in einem Frauengefängnis in der russischen Provinz. Seit 2014 ist sie wieder frei, und sie ist viel unterwegs. Gerade erst war sie in Los Angeles, um neue Musik zu produzieren, und jetzt ist sie in Berlin, um ihr Buch vorzustellen.
"Anleitung zu einer Revolution" heißt es, und es ist eine Mischung aus politischem Manifest und Autobiographie: kein Fließtext, sondern eine Aneinanderreihung kurzer Szenen, dazwischen Aufrufe wie "Lebe so, dass dein Leben ein Film sein könnte", "Tue das Unmögliche" oder "Mach Wasser zu Wein. Sei ein Superheld". Größenwahnsinnig klänge das, wäre da nicht die tatsächlich heroische Biographie der Autorin:
1989 in Sibirien geboren, wird Tolokonnikowa mit 10 zur Feministin. Mit 16 geht sie nach Moskau, um Philosophie zu studieren, und mit 21 fordert sie Putin heraus: in einer spektakulären Aktion, die weltweites Aufsehen erregt und ihr Fans einbringt wie Madonna oder Hillary Clinton. Mit 22 sitzt im Gefängnis, und so menschenverachtend die Umstände dort auch sind - besonders beeindruckt zeigt Tolokonnikowa sich nicht. Ihr Buch beschreibt diese Strafkolonie für Frauen, als wäre es die russische Version von "Orange is the new Black":
"Die Sorokina pisst, als hätte sie einen Schwanz", raunen die Näherinnen der mordwinischen Strafkolonie einander bei der Arbeit zu.
Ich wusste von Sorokina nur, dass sie sich durch die halbe Kolonie gefickt hat. In mir ruft so etwas eine Flut übermenschlicher Zärtlichkeit hervor.
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Rezension von Margarete Stokowski auf spiegel.de:
Heute will ich nicht motzen, heute muss ich lobhudeln, es geht nicht anders. Und über etwas Schönes reden.
Man liest so viel über Menschlichkeit gerade, und wie sie gefährdet ist. "Bestimmten Verhältnissen dem Leben gegenüber ist Radikalität das einzig Vernünftige, was Humanität noch rettet", hat Roger Willemsen gesagt.
Von Radikalität liest man gerade auch viel, aber viel zu oft im Negativen. Über enthemmte Nazis und von sich selbst berauschte Populisten. Wenn Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich über die Rassisten von Bautzen und Clausnitz sagt, "das sind keine Menschen, die so was tun", dann ist das eine skurrile und verlogene Ausflucht. Aber: Es gibt das auch in die andere Richtung. Es gibt Menschen, die sind so stark und so gut, dass man daran zweifelt, ob man es noch mit menschlichen Kräften zu tun hat.
Ein Manifest gegen die Scheiße
Nadeschda Tolokonnikowa, genannt Nadja, ist so eine. Sie ist 26 und wurde bekannt als Mitglied der Punkband Pussy Riot, als sie 2012 in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau auftrat und dafür zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt wurde. "Muttergottes, jage Putin weg" war der Titel ihres "Punk-Gebets". "Wenn ich meine Schuld eingestehen muss, um rauszukommen, bleibe ich hier", sagte Tolokonnikowa zu Beginn ihrer Haft. Vielleicht hätte sie vorzeitig aus der Haft entlassen werden können, hätte sie an einem Schönheitswettbewerb im Gefängnis teilgenommen - wollte sie aber nicht. Sie arbeitete lieber an etwas anderem: an sich.
Über ihre politischen Aktivitäten und die Zeit im Straflager hat Nadja Tolokonnikowa nun ein Buch geschrieben: "Anleitung für eine Revolution". Man kann dieses Buch gut als etwas lesen, das dem ganzen Elend etwas Gutes entgegensetzt, und zwar weit über den russischen Kontext hinaus. Ein Manifest gegen die Scheiße.
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Ihr Protest in einer Kirche gegen Kremlchef Putin machte die russische Frauen-Punkband Pussy Riot weltberühmt. Ihre Erlebnisse im Straflager arbeitet die Frontfrau Nadja Tolokonnikowa nun in einem Buch auf. Und sie kommt nach Deutschland.
Berlin. Seit gut zwei Jahren ist die Aktionskünstlerin Nadja Tolokonnikowa von der Moskauer Punkband Pussy Riot wieder in Freiheit - und kämpft weiter gegen das System von Kremlchef Wladimir Putin.
In einem neuen Videoclip ist die Frontfrau etwa zu sehen, wie sie gegen ein mafiöses Netz des russischen Generalstaatsanwalts Juri Tschaika Front macht. Vor allem aber versteht sich die 26-Jährige heute als Menschenrechtsaktivistin, die sich für den inhaftierten russischen Aktionskünstler Pjotr Pawlenski und andere Gefangene - nicht nur die politischen - einsetzt. Ihre eigenen schmerzhaften Erfahrungen im Straflager schildert sie nun in einem Buch.
"Anleitung für eine Revolution" (Hanser Berlin) heißt der am Montag veröffentlichte tagebuchartige Bericht, der nicht nur die Geschichte der Frauen-Punkband Pussy Riot erzählt, die 2012 weltweit Schlagzeilen machte. Ein Moskauer Gericht verurteilte die überzeugte Feministin Tolokonnikowa und ihre Mitstreiterin Maria Aljochina damals zu zwei Jahren Straflager - nach einem schrillen Punkprotest in einer Kirche. Pussy Riot hatte mit der Aktion die unheilige Allianz zwischen Staat und Kirche, zwischen Putin und dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kirill angeprangert.
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Rezension in DIE WELT vom 22.02.2016:
Die russische Revolution ist nur noch ein Traum
Schon die Musik von Pussy Riot war Protestkunst. Nun hat Nadja Tolokonnikowa eine "Anleitung für eine Revolution" geschrieben. Aber passt ein solches Manifest noch in die heutige Putin-Ära?
Sommer 2012, das Bild ging um die Welt: Nadja Tolokonnikowa saß im Käfig eines Moskauer Gerichtssaals. Gemeinsam mit Marija Aljochina und Jekaterina Samutzewitsch, ihren Mistreiterinnen in der russischen Punkband Pussy Riot, stand sie unter Anklage. "Muttergottes, Jungfrau, verjage Putin", hatten die jungen Frauen skandiert und in bunten Häkelmasken und bunten Strümpfen vor dem Altar in der Moskauer Christi-Erlöser-Kathedrale getanzt.
Was waren das bloß für Zeiten! Damals, im Winter 2011/12, gingen noch Tausende Menschen in Moskau für faire Wahlen und gegen Putin auf die Straße, noch im Mai 2012 waren laut Umfragen nur etwas mehr als 50 Prozent mit der Politik ihres Präsidenten zufrieden - im Unterschied zu den heutigen 82 Prozent. Es gab noch keine Gesetze über "ausländische Agenten" und "unerwünschte Organisationen" in Russland, die Krim war nicht annektiert, der Donbass friedlich. Eine Revolution schien nicht unmöglich.
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