1968 - das Jahr, das die Bundesrepublik veränderte wie wenig andere: Die junge Generation begehrte gegen das Establishment und den 'Muff von tausend Jahren' auf, propagierte freie Liebe und wollte Ehe und Familie abschaffen. Zugleich schwappte mit Oswalt Kolle die erste Sexwelle über Deutschland, und die Kommerzialisierung von Liebe und Sexualität begann. Heute scheinen die Kämpfe ausgefochten, aber der Schein trügt. Der Erfolg von Büchern wie 'Feuchtgebiete' oder 'Fifty Shades of Grey', die anhaltende Diskussion um die 'Homoehe' oder das von der Regierung vertretene Frauenbild beweisen: die Entwicklung geht wieder zurück und ein sexueller Neokonservatismus ist auf dem Vormarsch.
In 'Vögeln ist schön' blickt Ulrike Heider auf die Sexualdiskurse der letzten 50 Jahre zurück. Von der späten Adenauer-Ära und der Studentenrevolte über die Frauen- und Schwulenbewegung bis zu den aktuellen Debatten über Pornographie, Sadomasochismus oder der Pädophilie-Debatte bei den Grünen geht sie der Frage nach, wie sich Sexualität zur historischen und politischen Entwicklung verhält. Sie vergleicht die Ideale von damals mit heutigen Normen, Tabus und Moralvorstellungen, benennt Auswirkungen, Erfolge und Versagen der Sexrevolte. Persönlich, kritisch, provokant!
Autor*in / Hrsg.: | Ulrike Heider |
Liebe & Sexualität: | Polyamorie |
Weitere Informationen: | Umfang: 320 S. Einband: Kartoniert Format (T/L/B): 2.5 x 21 x 12.5 cm Gewicht: 361 g Erscheinungsdatum: 15.03.2014 |
Rezension von Massimo Perinelli in H-Soz-Kult
Ulrike Heider verfolgt mit ihrer aktuellen Publikation eine Ideologiekritik des Sexuellen von den 1950er-Jahren bis heute. Methodologisch führt sie eine Diskursanalyse durch, die unterschiedliche Quellengattungen - Artikel, Filme, Bücher - miteinander verknüpft und die sie mit biografischen Erzählungen abgleicht. Dabei gelingt ihr ein überzeugendes Bild der sogenannten Sexuellen Revolution der späten 1960er-Jahre. Heider beschreibt und verteidigt den sexuellen Aufbruch der Jahre 1967 und 1968, an dem sie selbst Teil hatte. Sie verteidigt diesen Aufbruch vor allem gegen ein vom Feuilleton bis zur Historiografie betriebenes "68er-Bashing" und räumt dabei mit einigen Mythen auf. Damit stellt Heiders Buch die einzige - noch dazu weibliche - Stimme dar, die das, was als sexuelle Revolution benannt wird, als einen gelungenen Beginn einer Befreiung aus repressiven Gesellschaftsstrukturen beschreibt. "Prügelpädagogik", Sexualfeindlichkeit und schuldvoll erlebter schlechter Sex, aber auch Demokratiefeindlichkeit und eine harsche Geschlechterordnung kennzeichneten die Adenauer-Ära, in der die Autorin - Jahrgang 1947 - selber aufwuchs und auf die sie "mit einem zornigen Blick" zurückschaut.
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Rezension von Claire Horst auf AVIVA-Berlin:
"Du wirst noch ein schönes Flittchen werden", mit dieser Aussage ihrer Mutter beginnt die Autorin einen Parcours durch die Jahrzehnte, in dem sie die eigene sexuelle Befreiung mit der Entwicklung verschiedener sozialer Bewegungen und vor allem der Literatur verbindet, von der die Protagonist_innen beeinflusst waren. Angefangen im Jahr 1967, die Autorin ist 20 Jahre alt und kämpft mit den gängigen Moralvorstellungen und der eigenen Verklemmtheit, führt sie die Leserin vorbei an SexualaufklärerInnen wie Oswalt Kolle und Beate Uhse, lässt sie dem Filmemacher Rosa von Praunheim begegnen, sich über Camille de Paglias antifeministische Texte wundern und verschiedenste Perspektiven auf Sexualität, Geschlechterverhältnisse und Gesellschaftsreformen kennenlernen, darunter so unterschiedliche wie die von Simone de Beauvoir, George Bataille und Judith Butler.
Zwischen "Nutte" und "braver Ehefrau eines erfolgreichen Mannes" bestehen kaum Möglichkeiten für eine junge Frau wie Heider, und der zeitgenössische Schlager von Peter Kraus bis Roy Black bietet auch nur die "glückliche Ehe" als Idealbild an. Im Rückblick ist es für Heider Gisela Elsner mit ihrem Roman "Das Berührungsverbot", das die sexualfeindliche und von der NS-Zeit geprägte Atmosphäre ihrer Jugend am besten charakterisiert. In den ersten Kapiteln ihres Buches zeigt Heider auf, welche personellen und strukturellen Kontinuitäten damals noch bestanden. So weist sie beispielhaft auf den Pfarrer Heinz Hunger hin, der als ehemaliger Geschäftsführer des 1938 gegründeten "Instituts zur Entfernung und Beseitigung jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben" zum "Sexualpädagogen" mutiert war und maßgeblichen Einfluss auf die bundesdeutsche Gesetzgebung zum "Jugendschutz" hatte.
Chronologisch zeichnet die Autorin die Lektüren verschiedener Zeitabschnitte nach und lässt die Leserin mitvollziehen, wie sich der Blick auf Sexualität und Geschlechterrollen veränderte, auf welche Autor_innen sich beispielsweise unterschiedliche Strömungen der Frauen- und Schwulenbewegung bezogen und auf welche gesellschaftlichen Veränderungen damit reagiert wurde.
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