Rezension zu: Nzitu Mawakha: Daima. Images of Women of Colour in Germany

14.01.2014 21:33

„'eternal moments' … These days they come upon me when, for
example, I look into someone's eyes, dare to engage with them,
feel that we are sinking into the depths of each other's souls,
and realize that there is nothing to fear.“
- Pasquale

Pasquale, eine der Protagonistinnen dieses Buchs, beschreibt in dem englischsprachigen Bildband jene seltenen Momente, in denen die Zeit ohne Bedeutung ist. Wenn wir im Angesicht unseres Gegenübers einen Augenblick der Ewigkeit finden, darin eintauchen und versinken. Eine Begegnung, die uns beide stärkt. Eine solche Begegnung ist Daima (Kiswahili 'für immer'). 

Die afrodeutsche Berliner Photografin Nzitu Mawakha hat darin zwölf Schwarze Frauen porträtiert und ihnen die Möglichkeit gegeben, ihre Geschichte(n) zu erzählen und sich selbst zu positionieren. Mawakhas Schwarz-Weiß-Porträts und die Begleittexte sind Interventionen. Sie empowern die Leser*innen und fordern die Betrachtenden heraus, sich ihrerseits mit ihrer Rolle, ihrer Identität, ihrem Schwarz- oder weißsein, ihren Denkstrukturen und ihren Alltagspraxen auseinanderzusetzen. Das Buch ist das dritte in der von Sharon Dodua Otoo herausgegebenen Witnessed-Reihe, in der Autor*innen in fiktionalen und nicht-fiktionalen Werken Einblicke in ihre Erfahrungen des Schwarzseins in Deutschland - als historisch gewachsenem und sozialem Konstrukt - geben.

In den Lebensgeschichten und Gedankengängen der Protagonistinnen zeigt sich, dass sich in Deutschland lebende Schwarze Frauen in einer Mischung aus Unsichtbarkeit und Sprachlosigkeit bewegen. Konfrontiert mit Alltagsrassismus stehen sie tagtäglich vor der Herausforderung, sich erklären, einordnen, rechtfertigen, verteidigen und durchsetzen zu müssen. Gegen Worte, Handlungen und Blicke, die stigmatisieren und diskriminieren. Pasquale nennt diese Augenblicke ganz nüchtern „moments, in which I experience racism“. In Daima werden die Blicke, die sonst die porträtierten Frauen treffen, gekonnt zurückgeworfen. Nzitu Mawakha lädt uns ein, mit ihr zu sehen statt zu schauen.

Denn zwischen diesen beiden gibt es einen Unterschied: Wenn ich schaue, beobachte ich. Ich nehme mein Gegenüber nicht als Subjekt wahr; mein Blick objektiviert es. Diesem Objekt nehme ich als Teil eines privilegierten wir Raum und Stimme. Sprechen lasse ich es in Folge als „das Andere“ nur durch mich. Ein Moment, der geprägt ist von ungleicher Machtverteilung, Unterdrückung und Angst. Der Bildband soll die Blickrichtung umkehren und uns so Schwarze Perspektiven vorstellen und Alternativen aufzeigen:

„There will always be some who are more us than other.
Perhaps the question is how can we live and thrive together
anyway? How we can all get beyond the thrall of surface, of
appearances, of attributing attitudes and proficiencies to
others based on their appearance?“ - Sonia

Wenn ich sehe, nehme ich mein Gegenüber als Subjekt an. Mein Blick sucht und findet die Erwiderung. Aus dem ich wird ein Wir, das gemeinsam einen Moment der Gegenseitigkeit schafft, in dem wir einander als „Du und ich“ anerkennen. Als Individuen, in unserer jeweiligen Positioniertheit, mit unseren ganz eigenen Geschichten. In solchen Momenten, die Mawakha in ihren Photografien festgehalten hat, entstehen Vertrauen und Vertrautheit. Die Fragen, die die porträtierten Akteurinnen den Leser*innen stellen, ermuntern zu dieser Form des Dialogs.

Daima ist ein Buch, für das mensch sich Zeit nehmen muss. Wer sich darauf einlässt, wird reich beschenkt. Vielleicht sogar für immer.

Juliane Luttmann, FEMBooks


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