Rezension "Du wolltest es doch" von Louise O'Neill

05.05.2020 11:21

In dem Buch "Du wolltest es doch" geht es um das Teenagermädchen Emma. Sie ist das hübscheste Mädchen in ihrer Clique, geht ziemlich herablassend mit ihren Mitmenschen um und ist schnell neidisch auf das, was andere "mehr haben" als sie. Sie scheint sehr oberflächlich, macht ständig Party, und es ist ihr wichtig, bei den Jungs gut anzukommen. Aufgrund ihres Aussehens fällt es ihr leicht, immer einen neuen Jungen an ihrer Seite zu haben. Ihre Freundschaften scheinen ebenso oberflächlich wie ihr Verhalten. Emma beklaut ihre Freundin Ali und rechtfertigt es damit, dass diese doch genug Geld habe.

Als ihre Freundin Jamie belästigt und vergewaltigt wird, rät Emma dieser, nichts zu sagen - nur damit ihre "heile" Welt nicht gestört wird und die Party des Lebens weitergehen kann. Ihre beste Freundin Maggie hat einen festen Freund, doch auch mit diesem flirtet sie - einfach nur, um zu testen, ob sie so unwiderstehlich ist, wie sie denkt. Zur Clique gehören auch mehrere Jungs, doch diese sind für Emma keine wirkliche Option.
Auf einer Party eskaliert alles: Alkohol, Drogen - und am nächsten Morgen kann sich Emma an nichts mehr erinnern. Sie liegt mit zerrissenen Kleidern vor ihrer Haustür, bewusstlos, bis ihre Eltern sie finden. Zuerst ahnt sie nicht, das etwas Schlimmes passiert ist, doch dann tauchen Bilder im Internet auf von mehreren Vergewaltigungen und Misshandlungen, durchgeführt von ihren angeblichen Freunden. Statt Unterstützung bekommt sie nur Zweifel und Vorwürfe. Niemand steht zu ihr, noch nicht einmal ihre besten Freunde und Eltern. Ihr begegnet der Hass ihrer Mitmenschen, sie wird als Lügnerin bezeichnet und aufgrund ihrer Kleidung und ihres Sexuallebens wird ihr die Schuld zugewiesen. Die Täter werden zu Opfern ihrer "falschen Anschuldigungen" gemacht. Einzig ihr Bruder rät ihr, Klage zu erheben, was sie dann auch in die Tat umsetzt.

Die Geschichte nimmt keinen besseren weiteren Verlauf. Nach mehreren Selbstmordversuchen ist Emma nur noch depressiv und daheim, sie geht nicht mehr zur Schule und hat keine Kontakte zu anderen Menschen. Die Familie scheint zu zerfallen. Für ihre Eltern ist alles nur eine Belastung. Während Emma vorher das "gute" Mädchen war, hat sie diesen Status nun verloren. Ihre Eltern ignorieren sie regelrecht, die Mutter greift zum Alkohol, der Vater verliert seine Stellung auf der Arbeit. Nachbar*innen meiden sie, denn zu "dieser Familie" möchte man keinen Kontakt mehr. Wenngleich die Beschreibung der sexuellen Gewalt schon schlimm zu lesen war, fand ich es fast noch schlimmer, von diesem allgegenwärtigen Verfall zu lesen.

Am Ende entscheidet sich Emma dafür, die Klage zurückzuziehen. Man weiß weder, wie es mit ihr weitergeht, noch ob sie es schafft, wieder zur Schule zu gehen und Kontakte zu anderen Menschen aufzubauen.

Das Buch beschäftigt sich mit einem wichtigen Thema: sexuelle Gewalt und der Schwierigkeit der Betroffenen, Recht und Heilung zu erfahren, während die Täter zu Opfern gemacht werden.

Es ist sehr bedrückend zu lesen, vor allem da selbst Emmas Familie sich von ihr abwendet. Ich weiß deshalb gar nicht, ob ich das Buch wirklich "empfehlen" kann, da jungen Mädchen und Frauen so vermittelt wird, nach sexuellen Übergriffen besser zu schweigen, da ihnen ohnehin nicht geglaubt wird und sie durch das Öffentlichmachen sogar noch den totalen sozialen Ausschluss riskieren. Auch wenn dies leider sehr oft die Realität ist, ist die in dem Buch vermitteltete Botschaft ist nicht gerade empowernd und deshalb keine sonderlich feministische.

Die Autorin hat bewusst dieses deprimierende Ende gewählt, denn viel zu oft ist es noch so, dass missbrauchte Frauen und Mädchen keine Gerechtigkeit erfahren.
Im Nachwort zur deutschen Ausgabe geht sie auch noch auf das neue Strafgesetzbuch von 2016 ein. Sie empfiehlt auch den Frauennotruf, der zu Strafanzeigen berät und Begleitung anbietet. Solidarität findet man auch, wenn man sich die zahlreichen Berichte zu #metoo ansieht. Sie fordert dazu auf, wütend zu sein - auch wenn man verletzt und traurig ist.

Corinna, 34 Jahre, liest am liebsten Fantasy und Liebesromane. Sie interessiert sich auch sehr für Fotografie und schreibt in diesem Bereich auch Rezensionen für Sachbücher.

Das Buch kann hier für 18,00 € bestellt werden!


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