lesbisch_queere Bücherwelten: Gentrifizierung

Astrid Wenke: Windmühlen auf dem Wedding Die langjährige Weddingerin Sybilla Kischotta bereitet eine Stadtteilführung in ihrem Kiez vor: zum Thema Grundbesitz. Sybilla, Stadtbilderklärerin und Taxifahrerin, ist entschiedene Gentrifizierungsgegnerin. Das Haus, in dem sie wohnt, wird gerade verkauft, Eigentumswohnungen sollen es werden, und die Betreiberinnen der nahegelegenen Stammkneipe haben eine saftige Mieterhöhung im Briefkasten - Berliner Verdrängungsalltag. Das will so gar nicht zu Sybillas ganz neuer Sehnsucht nach einem Sich-zu-Hause-Fühlen passen, die wachgerufen wurde durch eine neue Verliebtheit, und ebensowenig zu den Einzugsplänen ihrer jugendlichen Tochter Rosa.

Eine große Stärke des neuen Romans von Astrid Wenke liegt im Aufzeichnen und Nachspüren von Beziehungen und Widersprüchen, die von Klassenunterschieden geprägt sind. Da ist einmal Kischotta selbst: mit kleinem Einkommen und kleiner Wohnung, aber bildungsbürgerlicher Herkunft. Da ist die Tango tanzende Amalia, die Sybilla verdächtig ist, da sie reich zu sein scheint und für Sybilla das Bürgerlich-Werden des Weddings verkörpert (Tango! Im Wedding!) - und in die sie sich doch verliebt. Da ist die Hausbewohnerin Martha, Immer-schon-Weddingerin, proletarisch und inzwischen Rentnerin, die Sybilla mehr denn einmal mit deren inneren Widersprüche konfrontiert. Und da ist Jutta, Anwältin und langjährige Freundin Sybillas, die proletarischer Herkunft ist und auch deshalb andere Strategien rund um Wohnen und Wedding verfolgt als Sybilla.

Es ist nicht die ganz schlimme Verdrängungsrealität - Entmietung um jeden Preis, Zwangsräumung, Obdachlosigkeit -, die Wenke hier erzählt. Die Hauptprotagonistinnen können der Verdrängung widerstehen: mal aufgrund von Geldprivilegien, mal aus purem Glück, mal durch gegenseitige Unterstützung und Organisierung als Mieterinnen. Es ist eben nur eine Geschichte. Nebenbei erfahren die Leser_innen jede Menge zur Berliner und spezifisch Weddinger Stadtteilgeschichte und, ja, auch zu Mietrechtsfragen.